Kategorie: Literatur

  • Gedichte wie Reiskörner, die keimen und spriessen

    Gedichte kann ich nicht. Früher hab ich’s ein paarmal versucht, doch immer wieder verworfen. Kurzgeschichten kann ich, Essays auch; mit meinen lyrischen Versuchen war ich nie zufrieden. Und überhaupt sind mir Gedichte fremd, ich habe selten welche gelesen und – Fried, Majakowski und Pasolini ausgenommen, doch die aus politischen Gründen und vor langer Zeit – nie einen Gedichtband gekauft. Und jetzt trag ich Ruth Looslis Reiskörner seit Monaten mit mir herum, berührt gleich von den ersten Gedichten, die ich las, und tu mich schwer, diesen auch in der Gestaltung wohltuend leisen Band zu besprechen. Darf ich etwas über Gedichte sagen, wenn ich meine eigenen dichterischen Fähigkeiten für unbedeutend halte?
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  • Rechtlose Indigene, damals und heute

    Willi Wottreng ist ein faszinierendes Buch über den politischen Kampf der Irokesen um staatliche Eigenständigkeit Ihres Bundes der Six Nations gelungen. Der Zürcher bilgerverlag hat es fünf Jahre nach dessen Erscheinen erneut beworben. Denn 2023 «jährt sich zum hundertsten Mal der Besuch des Chiefs Deskaheh in Genf, der mit einer kühnen diplomatischen Mission versuchte, 1923 vom Völkerbund die Anerkennung der Six Nations als von Kanada unabhängiger Nation zu erlangen».

    Wottreng erzählt anhand von Dokumenten aus dem rebellischen Blickwinkel meiner Generation. Der Indianer ist nicht mehr der edle Wilde, als der Deskaheh damals in Europa Interesse und Unterstützung in gebildeten Kreisen fand; er verfolgt als politischer Akteur hartnäckig die Sache der Entrechteten.

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  • Von Aalen und Menschen

    Ich kann mich an kein Buch über eine Fischart erinnern, das mich je derart berührt und begeistert hat. Das «Evangelium» im Titel mag zunächst irreführen. Was der schwedische Kulturjournalist Patrik Svensson auf 253 Seiten ausbreitet, ist randvoll von wissenschaftlichen Erkenntnissen über den Lebenszyklus dieser Fische, die in der fernen Sargassosee östlich von Florida als kleine Larven an der Oberfläche auftauchen, sich von den Strömungen an die europäische Küste treiben lassen, als junge Glasaale in die Flüsse aufsteigen und dort in Gewässern oft viele Jahre lang im Verborgenen leben, bis sie eines Tages den Drang verspüren, die weite und beschwerliche Reise zurück an ihren Ursprungsort auf sich zu nehmen, um sich dort zu paaren und zu sterben.  (mehr …)

  • Vom schönen, seltenen Blau

    Irgendwer hatte mir während einer Diskussion zugeraunt: Übrigens BLAU, dieses Buch würde Dir sehr gefallen, und aus dem Zusammenhang heraus ging ich von einem Buch übers Meer aus, denn was könnte überwältigender blau sein als das Meer? Und was könne mich mehr interessieren als alles, was mit der Lebenswelt von Fischen zu tun hat? Also bestellte ich mir das Buch, out of the blue sozusagen, und entnahm bald darauf einem Paket ein seltsames Ding, weder Blau noch Violett, jedenfalls für mich nicht, eher eine Beleidigung für meinen Farbsinn im allgemeinen noch gar für Blau, eine meiner Lieblingsfarben. 

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  • Dank Münchhausen aus dem Sumpf

     

     

     

    Sich wie Münchhausen am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen gehört seit langem zu meinen beliebten Wortwendungen. Als Bub verschlang ich die legendären Geschichten von oder über Münchhausen; dieses eine Bild hat sich mir früh eingeprägt, viel nachhaltiger als etwa des Edelmanns filmreifer Ritt auf der Kanonenkugel: Mit der Kraft des eigenen Willens kann es also möglich sein, einer ausweglosen Situation zu entkommen, wenn auch kaum so plakativ wie der Lügenbaron.

    Mehr wusste ich nicht über diese wohl (selbst-) erfundene Figur, bis ich von Tina Breckwoldts Buch hörte. (mehr …)

  • Plötzlich so unstill am See

     

     

     

    Das beschauliche Konstanz am Bodensee, in grauer Vorzeit Austragungsort eines Jahre dauernden Konzils, von dessen ganz unkatholischen Verlustierungen ein frivoles Kunstwerk am Hafen zeugt, wird aus heiterem Himmel zum Schauplatz der Apokalypse. Dabei schien alles so wohlvorbereitet für eine grosse Kundgebung der Klimajugend in der Universitätsstadt, mit einer Ansprache der deutschen Greta als Höhepunkt. Den aber setzten finstere Kräfte: Schwerbewaffnete Rechtsextreme, die unvermutet aus ihren Verstecken auf den Plan traten mit der Absicht, den Anlass zu zerstören und die mediale Wirkung für ihre brutale Botschaft zu nutzen. (mehr …)

  • Liebe und Treue in Kriegszeiten

     

     

     

     

     

    Niemand kann alles lesen, kaum ist es erschienen. Darum sind Bücher eine wahre Rettung – ich kann sie auch viel später lesen, wenn sie zum Klassiker geworden sind, so wie Alex Capus’ Roman «Léon und Louise», auf den ich erst Jahre nach dessen Erstauflage zufällig aufmerksam geworden bin. Was der Autor hier ausbreitet, ist ein über die beiden Weltkriege hin angelegter Bilderbogen, der die Schrecknisse und Wirrnisse aus der Perspektive eines Manns und einer Frau schildert, die sich jung verlieben und aller erzwungenen Trennungen und persönlichen Verstrickungen zum Trotz bis ans Ende ihres Lebens nie verlieren.

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  • Selber Kochen als Akt der Selbstbehauptung

     

     

     

     

     

    Der Buchtitel ist etwas reisserisch, der scheinbar alles Essbare umfassende Untertitel gar irreführend – es geht in Krieners Magenbetrachtungen «nur» um Fleisch und Fisch sowie um deren künstliche Alternativen, als Zugabe zudem um Zucker und Wein. Gemüse, Obst und Getreide – alles nur Beilagen zu toten Tieren? – werden bestenfalls in Nebensätzen erwähnt, vor allem in den Kapiteln, die sich erfrischend kritisch mit Bio-Siegeln und Superfood auseinandersetzen. 

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  • Engadiner Abgründe

     

     

     

     

     

    Der Jungpolizist aus dem Unterland tritt seine erste Stelle nach der Ausbildung an, und schon am Wochenende vor seinem ersten Arbeitstag kommt der dem König im Tal auf die Schliche. Zwar wird er von seinen Vorgesetzten ausgebremst und vom Dienst suspendiert, bevor er ihn antreten konnte, weil einfach nicht sein kann, was nicht sein darf; aber der Jungpolizist überführt den  Bösewicht derart klar, dass die Polizei gar nicht anders kann, als ihn zu verhaften.

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  • Doppelt verloren – und gewonnen

     

     

     

    Der deutsche Drehbuchautor Holger Karsten Schmidt folgte 2017 seiner vor Jahren entflammten Liebe zur Algarve, der südlichsten der sieben Regionen Portugals. Er erfand dafür einen Trick in der Person von Leander Lost, autistischer Kriminalkommissar in seiner Heimatstadt Hamburg, der dank der Laune einer unterbeschäftigten und um ihren Job fürchtenden Interpol-Mitarbeiterin in deren Austauschprogramm für ein Jahr nach Faro versetzt wird, der Hauptstadt der Algarve, und der das Glück hat, in einem lauschigen Häuschen im weiter östlich gelegenen Küstenstädtchen Fuseta einquartiert zu werden. Und schon kann der Spass beginnen, genauer: der manchmal nicht ganz unblutige Ernst des Lebens. (mehr …)

  • Serbien oder was Handke nicht gesagt hat

     

     

    Verdankenswerterweise in grosser Schrift versammelt hat Suhrkamp die drei zentralen Texte von Peter Handke zu Jugoslawien. Auch so ist die Lektüre freilich kein Sonntagsspaziergang, nicht allein der Geschehnisse wegen, sondern auch und vor allem wegen der Art, in welcher Handke sich mit ihnen schreibend auseinandersetzt, vorsichtig, fragend, zweifelnd in jedem Satz. Manchmal möcht ich ihn beim Lesen schütteln: Mann, bring’s endlich auf den Punkt, mach die Sätze kürzer, klarer, stell nicht jedes Wort in Frage, kaum schaut es Dir vom Papier entgegen in Deiner Schrift! (mehr …)

  • Was ist eigentlich eine Tomate?

     

     

    Die begnadete bio-dynamische Gärtnerin und Gartenjournalistin Ute Studer (Bioterra) legt mit «Tomatenlust» ein Buch vor, das wirklich grosse Lust auf Tomaten macht: Lust darauf, mehr über diese Pflanzen, ihre unzähligen Sorten und deren in Grösse, Form und Farbe so unterschiedlichen Früchte zu wissen, sie zu kosten und zu geniessen und am Ende gar selber Tomaten zu ziehen, und sei’s auf dem Balkon – dank vieler kundiger Tips, wie der Untertitel des Buchs verspricht. 

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  • Ein kühles Meer im Norden

     

     

     

     

    Als ich mir «Die Nordsee» zur Rezension senden liess, war ich auf ein eigenartiges Gefühl gefasst, das meine Lektüre am Mittelmeer begleiten würde. Der Umstand, dass ich an dessen nördlichstem Strand lebe, vermochte das Fremde, das mich beim Lesen umgab, nicht zu mildern. War ich überhaupt schon einmal an der Nordsee gewesen? (mehr …)

  • Mit Algen begann alles Leben. Nun trachtet man nach dem ihren.

     

     

     

     

     

     

    Würde das Buch nicht mit seinem Untertitel verraten, worum es geht, wär es kaum neben meinem Bett gelandet und hätte Nacht um Nacht meine Aufmerksamkeit gefordert, bis Hirn und Augen endlich nach Schlaf verlangten.

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  • Wie alles Leben im Meer entstand – und darin wieder verschwinden könnte

     

     

     

    Wer wissen möchte, wie die Welt entstand, in der wir heute leben, und wie leicht und rasch das im Lauf einer sehr langer Zeit entstandene Gleichgewicht und damit die menschliche Zivilisation zusammenbrechen kann: Dieses Buch erklärt das alles eindrücklich.

    Am Anfang war sozusagen nichts. Mehr als vier Milliarden Jahre brauchte es, damit in lebensfeindlichen Ozeane Sauerstoff entstand und andere Gase zurückdrängte. Eine komplexe Entwicklung mit vielem Auf und Ab, bis sich in den Fluten schliesslich allererste einfache Formen von dem entwickeln konnten, was wir heute als Leben bezeichnen.  (mehr …)

  • Hirnforschung, Wahnsinn und zurück in den Alltag

     

     

     

     

    Der Wissenschaftsjournalist Beat Glogger legt einen spannungs- und lehrreichen Science-Thriller vor, der auf dem neusten Stand der Wissenschaft und auf privaten Erfahrungen beruht, den Bogen jedoch in unbekanntes Gebiet spannt, genauer: überspannt, jedenfalls aus der Rückschau der Hauptperson betrachtet.

    Tina Benz, eine selbstbewusste und durchsetzungsstarke Frau vom herben Charme einer Lisbeth Salander aus Stieg Larssons Millenium-Trilogie versteht es, den international führenden Neurowissenschafter Frank Stern (mehr …)

  • Balance überm Abgrund geheim gehaltener Fakten

    Peter Beutler schreibt Politkrimis; aber keine erfundenen. Er recherchiert wie ein Journalist historisch belegte Unfälle und Verbrechen in der Schweiz, die bisher ungeklärt geblieben sind. Dort, wo noch immer Geheimnisse die Geschehnisse verbergen, wird Beutler zum brillanten Romanautor. Er interpoliert zwischen den Scherben der aktenkundigen Fakten und bündelt das Wissen zu einer Geschichte, wie es in Wahrheit gewesen sein könnte. Der rote Faden, auf dem er dabei über die Abgründe balanciert, ist aus den feinen Fasern des cui bono geflochten: Wem mag es genützt haben? Den Mächtigen. Und offenbar sticht er damit ins Wespennest gewaltsam versteckter Wahrheiten, derart, dass er wie erst kürzlich Morddrohungen erhält. 

    Geschichten erfinden ist, wie schon Yuval Harari sagte, eine zutiefst menschliche Wesensart, und in der Regel ist das ungefährlich – ausser man erfindet das, was unbedingt verschwiegen bleiben soll.

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  • Ein Krimi für gut Beschuhte

    Zur Lektüre dieses Krimis empfiehlt sich gutes Schuhwerk. Für jene, die nicht mehr erlebt haben, was das heisst: Ich rede von solider Handwerksarbeit aus echtem Leder, innen wie aussen, rahmengenäht, Vollgummisohle, mit reissfesten Nesteln und Ösen, von einer Qualität, der man ganz selbstverständlich Pflege und gutes Schuhfett angedeihen lässt.

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  • Tod in Genua, und überall

     

     

     

    Alles bricht in sich zusammen, und Genua ist ein Spiegelbild hierfür. Die Idee einer zivilen Gesellschaft zerschellt am staatlichen Verhalten gegenüber Protestierenden gegen den G7-Gipfel. Die Vorstellung von der Sicherheit des Lebens in einem modernen Staat stürzt mit dem Zusammenbruch der Morandi-Brücke in den Abgrund. Die in ihrer Grandezza unsterbliche alte Tante Matilde hat sich unversehens ins Jenseits abgemeldet, was derart unerhört erscheint, dass ihr Begräbnis zum Desaster gerät, in welchem sich alles auflöst. Auch die Liebe zwischen Nina und Paul, den beiden andern Hauptpersonen, deren Schwierigkeit wie ein stetig röter werdender Faden durch den Roman führt, der sich zu dessen Ende aufdröselt, zerbröselt, verfällt. Nichts bleibt mehr ausser Bedauern, auch darüber, dass der Roman schon zuende ist, in dessen Bildern und Tönen und  Farben ich mich fast häuslich eingerichtet hatte, so dass ich mich als Lesender getragen fühlte, fortgetragen wie die imaginierte Tante Matilde in ihrem antiquierten Kreuzfahrtschiff, aus tausend Fenster zugleich winkend, wie zum Trost für den unwiderruflichen Abschied.

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  • Übers Mittelmeer nach Europa

     

     

     

    Der Schweizer Journalist Beat Stauffer kennt den Maghreb seit vielen Jahren und berichtet über den vorwiegend arabischen Norden Afrikas immer wieder in der NZZ und auf Schweizer Radio SRF. Stauffer hat sich dabei auch wiederholt kritisch mit der Migration aus dem Maghreb nach Europa auseinandergesetzt. Nun legt er ein umfangreiches und reich dokumentiertes Buch zum Thema vor.

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