
«The White Meadows» – selten hat mich ein Film körperlich derart gefesselt [1]. Bilder von schmerzend klarem Weiss, in denen sich schwarze Figuren langsam in einem archaischen Geschehen bewegen.
Gebannt sass ich vor dem Bildschirm und versuchte, zu verstehen. Überwältigt von der unausweichlichen Wucht begann ich allmählich zu ahnen, dass der Film eine einzige Anklage ist: gegen die Untätigkeit angesichts des Verschwindens des einst grössten Salzsee der Welt und gegen das sture Beharren auf alten Traditionen, die mehr als stilles Klagen nicht zulässt. Eine fast unerträgliche Sehnsucht, dabei voller Klarheit über die Ausweglosigkeit in einer fremdverschuldeten, aber selbst erduldeten Realität.
Mohammad Rasoulofs Spielfilm war im Jahr 2009 bei aller Zensur vielleicht eine der eindrücklichsten Kritiken an den Verhältnissen im Iran. Ein riesiger See zieht sich immer weiter von seinen einstigen Ufern zurück und vertrocknet, und nicht nur der Urmiasee im Nordwesten des Landes, sondern das ganze riesige Land, im übertragenen Sinn und wortwörtlich, wie die neusten Nachrichten zeigen, die gar eine Evakuierung der Hauptstadt Irans mit ihren fast 10 Millionen Einwohnern nicht mehr ausschliessen, weil das Trinkwasser so knapp geworden ist.
Meine im Iran lebende Kollegin studierte einst in der Stadt Urmia am Westufer des Sees. Urmia heisst Stadt am See. Vom See ist fast nichts mehr übrig geblieben, schreibt sie mir jetzt. Und er stirbt immer rascher. Abnehmende Niederschläge und Erderwärmung werden als äussere Ursachen genannt; doch gleichzeitig verbraucht eine ineffiziente Landwirtschaft immer mehr Wasser, landesweit neunzig Prozent des verfügbaren Wassers. Um die Bewässerung der Ackerflächen zu fördern, wurden Staudämme gebaut, was nicht zuletzt den Zufluss zum Urmiasee verringerte.

[1] «The White Meadows», Mohammad Rasoulof (2009)
[2] Karten: https://www.bytesde.com/1302901/




