Übers Tricksen und Mauern in Österreich, bis es fault [1]

Schon ein einziger Tag Lektüre der «Kleinen Zeitung» (11.09.2012) genügt, den Dégoût vieler Menschen in Österreich zu verstehen – nicht aber deren Duldsamkeit, die Mitschuld trägt an den Verhältnissen.

Bundeskanzler Werner Faymann, Grazer Bürgermeister Siegfried Nagel, Kürbis für sterisches Kernöl

Feig und unerträglich

Bundeskanzler Faymann hat – wenn wir eine strenge politologische Regel anwenden – im Grunde schon verloren: weil er dementieren muss. Er muss dem Vorwurf entgegnen, dass von staatlichen Verkehrsunternehmen bezahlte Inserate mit seinem Konterfei als damaliger Verkehrsminister kein Polit-Marketing für ihn persönlich gewesen seien. Seit Jahren klumpen sich Enthüllungen, Gerüchte, Forderungen und Repliken um diese Frage betreffend Missbrauch von Amt und Steuergeldern.

Der parlamentarische Untersuchungsausschuss über diverse Korruptionsfälle wäre der richtige Ort, die Frage zu klären. Doch dieser Ort darf offenbar nicht sein. Im staatlichen Fernsehen behauptete der Bundeskanzler eben erst in einem Interview treuherzig, er werde im U-Ausschuss Stellung nehmen, «sofern ich von den Abgeordneten eingeladen werde». [2] Dabei weiss er haargenau, dass sich seine SP-Genossen im Ausschuss mit Haken und Ösen gegen diese Einladung wehren und dass sich die Volkspartei-Mitglieder des Ausschusses wegen des Koalitionsvertrags nicht zusammen mit der Opposition darüber hinwegsetzen dürfen.

Wäre der Fay ein Mann, hätte er sich über die krampfhafte rot-schwarze Machterhaltungsklüngelei längst hinwegsetzt, wär in den Ausschuss gegangen und hätte gesagt: hier bin ich, was wollt Ihr wissen? Aber so ist er nicht, so sind fast alle Politikerinnen in diesem Land nicht, sie sind feig und zum Kotzen unerträglich.

Starker-Junge-Spielchen

Auch in lokalen Chargen. Der volksparteiliche Grazer Bürgermeister Nagl wartet, bis die grüne Vizebügermeisterin und Chefin des Verkehrsressorts – die er unlängst entnervt aus der schwarz-grünen Koalition geworfen hat – in den Ferien weilt, um ihr hinterrücks in ihr Ressort hineinzuregieren und Entscheide umzustossen, die dem extrembürgerlichen Rand in seiner Partei sauer aufstossen. Ins gleiche Kapitel passt sein jüngster einsamer Hauruck-Entscheid, die städtischen Wahlen um zwei Monate vorzuverlegen. [3] [4] Nach Wahlgesetz darf er das, doch politische Grösse ist anders.

Der in der Art eines Traums jeder Schwiegermutter auftretende Nagl ist immer wieder für fiese Hinterrücksaktionen schlecht. Mir kommt er vor wie ein Hosenscheisser, der den starken Jungen spielt. Und wenn er mal nicht weiter weiss zwischen den zerstrittenen Interessen, die ihn auf den Schild gehoben haben, flüchtet er sich in den Schoss der von ihm sozusagen höchstselbst erfundenen «direkten Demokratie», welch Letztere, da im Wortsinn gänzlich ratlos befragt, gar nicht entscheiden, sondenr nur abwinken konnte. Scherbenhaufen dank Schwäche der Gewählten, an ihrer Spitze der Bgm.

Geschäft statt verlässliche Information

Auf regionaler Ebene nicht anders. «Steirisches Kernöl» ist eine geschützte geografische Angabe (g.g.A.) und ein nicht ganz unbedeutendes Geschäft. So bedeutend, dass einige gar nicht zur Steiermark gehörende Bezirke in Niederösterreich und im Burgenland ebenfalls steirisches Kernöl produzieren dürfen. Nicht so jedoch die Kürbisbauern im steirischen Murtal: die werden von der «Gemeinschaft Steirisches Kürbiskernöl» partout nicht aufgenommen und müssen gar befürchten, dass sie wegen «Irreführung der Konsumenten» geklagt werden, wenn sie ihr Produkt mit dem Hinweis auf ihren steirischen Wohnort etikettieren… [5]

Warum dürfen dann aussersteirische Regionen mittun? Entwaffnende Antwort des Geschäftsführers der Gemeinschaft: «Diese Regionen sind traditionelle Zulieferer der südsteirischen Ölpressen. Ohne dieses wäre der Bedarf nicht zu decken gewesen.» Im Klartext: mit geografischen Gegebenheiten hat eine g.g.A. nur zu tun, soweit dies dem Geschäft dient. Aha. Wenn es nur ums Geld geht, dürfen sich auch die Konsumentenen daran orientieren – und kaufen fortan einfach slowenisches Kernöl, das zwar nicht «steirisch» heissen darf, sonst aber genau der selbe Saft ist. Wenn dann die steirische Gemeinschaft auf faulenden Kürbissen sitzen bleibt, kommt sie vielleicht zur Vernunft.

Quellen:
[1] ursprünglich gepostet auf Facebook: https://www.facebook.com/notes/10158053688536799/
[2] http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/politik/3114869/spoe-blockiert-kanzler-vorladung.story
[3] http://www.kleinezeitung.at/steiermark/graz/graz/3113998/ruecker-platzt-kragen.story
[4] http://www.kleinezeitung.at/steiermark/graz/graz/3114780/grazer-parteien-muessen-jetzt-den-turbo-zuenden.story
[5] http://www.kleinezeitung.at/steiermark/murtal/weisskirchen_in_steiermark/3113869/murtaler-duerfen-kernoel-nicht-steirisch-nennen.story


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