
Wenn Kritik an den Aussagen der überwiegenden Mehrheit der Klimaforscher, dann bitte aus berufenem Mund und mit seriöser wissenschaftlicher Argumentation. Ein gutes Beispiel hierfür ist ein 2010 gehaltener Vortrag [2] des ehemaligen Leiters des Instituts für Meteorologie an der Freien Universität Berlin, Prof. Horst Malberg. Die 33 Minuten Zuhören sind gut investiert, weil sie das kritische Denken fördern.
Malberg weist für die Periode seit 1850 einen Zusammenhang zwischen der Sonnenaktivität und der durchschnittlichen Temperatur auf der Erde nach. Die Sonnenaktivität verändert sich im Rhythmus von etwa 200 Jahren von gering bis hoch, und die klimatische Veränderung auf der Erde (Temperatur) folgt diesem Rhythmus. So war um 1850 die Sonnenaktivität sehr gering, die Durchschnittstemperaturen auf der Erde tief, was Ernteausfälle, Hungersnöte und eine erhöhte Auswanderung aus Europa nach Amerika zur Folge hatte. Seit den 1950er Jahren stiegen sowohl die Sonnenaktivität als auch die Temperaturen auf der Erde. Ein Absinken der Sonnenaktivität werde uns, so Malberg und andere Klimatologen, gegen Mitte dieses Jahrhunderts wieder tiefere Temperaturen bescheren.
(Es sind solche grossen lebensbestimmenden Faktoren, die mich immer den Kopf schütteln lassen, wenn ich dem Begriff «Anthropozän» begegne. Die von etlichen Wissenschaftern geteilte Vorstellung, dass erstmals in der Erdgeschichte nicht natürliche Gewalten das Gesicht der Erde verändern, sondern die menschliche Zivilisation, hat etwas zugleich Kindliches und Grossmäuliges.)
Am meisten ist bis jetzt die Sonne «schuld» – und was heisst das nun?
Aufgrund seiner statistischen Analyse der Messdaten seit 1850 kommt Malberg zum Schluss, dass die Klimaveränderung «zu 70 bis 80 Prozent» von der Veränderung der Sonnenaktivität abhänge, während der statistische Zusammenhang zwischen dem Anstieg an Kohlenstoffdioxid (CO2) und der Erderwärmung gering sei. Generell sei nicht die zunehmende Industrialisierung der letzten zwei Jahrhunderte für den Klimawandel verantwortlich, sondern die Sonne. Und darum seien alle Ideen zur Reduktion von CO2 in der Atmosphäre«hirnrissig».
So klar Maberg in seiner Analyse war, so polemisch war er in seine Schlussfolgerung – vielleicht dem Umstand geschuldet, dass er an der an der Tagung einer Organisation sprach, die sich die «Reindustrialisierung Deutschlands» auf die Fahne schreibt. Polemisch und unter Ausschluss grösserer Zusammenhänge. Wenn Malberg CO2 zusammen mit Wasser (H2O) als Grundbaustein für die Produktion von Sauerstoff (O2) darstellt, ist das zwar richtig, aber verharmlosend.
Wir wissen,
- dass die CO2-Konzentration der Atmosphäre stetig zunimmt,
- dass die Ozeane einen grossen Teil des überschüssigen CO2 speichern [3],
- dass diese Speicherkapazität der Ozeane nicht grenzenlos ist [3], und
- dass es in der Erdgeschichte auch eine Phase mit extremer Sauerstoffarmut in Atmosphäre und Ozeanen gab und dass sich die Parameter, innerhalb derer Leben von Wirbeltieren und weiteren Spezies möglich ist, jenseits eines Kipppunkts rasch verändern können [3].
Nicht CO2 ist das Problem, sondern dessen Konzentration im Verhältnis zu anderen Gasen in der Atmosphäre (und den Ozeanen). Ähnlich gilt das für andere Gase, welche seit der Industrialisierung vermehrt in die Atmosphäre gelangen, wie etwa Methan aus der industriellen Tierhaltung.
Malbergs Analyse zeigt für den Zeitraum von 1850 bis heute, dass die Veränderung der Sonnenaktivität den grössten Teil der Erderwärmung erklärt; der kleinere Teil (20-30%) der Erderwärmung jedoch bleibt von Malberg nicht nur unerklärt, sondern als quantité négligeable abgetan. Was, wenn dieser kleinere Teil stetig zunimmt und die Wirkung der Sonne am Ende gar übertrifft? Viele von uns werden ja erleben, wie sich die Temperaturen auf der Erde gegen Mitte dieses Jahrhunderts verändern.
Die Lebenswelt müssen wir ohnehin bewahren
Die Polemik über die mehr oder eben weniger menschgemachte Klimaveränderung hat mich nie besonders interessiert; sie bindet unsere Energie am falschen Punkt und hält vom Handeln ab. Selbst wenn die Erderwärmung allein von der Sonne abhängen würde, wäre es längst Zeit, die anderen Auswirkungen der Industriegesellschaft an der Wurzel anzugehen, ökologische wie soziale. Selbst die scheinbar so unermesslichen Ozeane zum Beispiel sind auch ohne Klimaveränderung existenziell von der Logik der industriellen Nutzung betroffen: massive Überfischung, Dumping von Chemieabfällen, Tiefseebergbau, stetig zunehmender Schiffsverkehr, usw.
Das heisst: Die Menschheit muss sowieso die zerstörerischen Prozesse stoppen und in geschlossenen Stoffkreisläufen zu produzieren und zu konsumieren beginnen, ganz zu schweigen von solidarischem statt kriegerischem Verhalten. Wenn die Menschheit sich auf diesen Weg macht, verhindert sie dabei unter anderen Dingen auch den weiteren exzessiven Ausstoss von CO2, Methan und anderen Gasen, welche im Übermass zum existenziellen Problem werden können. Massnahmen allein gegen CO2, insofern geb ich Malberg recht, wären tatsächlich «hirnrissig». Denn gegen den von der Sonne verursachten Klimawandel kann man nicht demonstrieren, gegen die Ursachen der menschgemachten Veränderungen der Lebenswelt aber muss man aktiv werden!
Quellen:
[1] Zuerst publiziert auf Facebook
[2] Horst Malberg, Vortrag (2010): Klimawandel seit der kleinen Eiszeit
[3] Zur früheren und aktuellen Erdgeschichte aus der Sicht der Ozeane empfehle ich das hervorragende Buch des Meeresbiologen Callum Roberts «Der Mensch und das Meer» (Buchbesprechung)
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