Westsahara, Ceuta und Melilla: Spanien muss endlich Schulden begleichen

Westsahara heute (Enyavar/Wikimedia) und Westsahara-Flagge

Spanien hat seine ehemalige Kolonie Westsahara 1975 fast fluchtartig verlassen, nachdem Marokko, welche das Territorium schon lange für sich beansprucht hatte, es militärisch angriff. Marokko besetzte schrittweise den grössten Teil von Westsahara, beutete dessen Reichtum an  Bodenschätzen und Fischgründen aus und überliess der rechtmässigen Bevölkerung, den Sahraouis, nur karge Gebiete im Hinterland. Hier leben nur noch gut 100,000 Sahraouis, während gegen 200,000 in Flüchtlingslagern in der Wüste bei Tindouf in Algerien leben.

Kolonialismus bis zum heutigen Tag

Nachdem Frankreich das Königreich Marokko 1956 in die Unabhängigkeit entlassen hatte, forderten UNO-Resolutionen ab 1963 wiederholt, dass Spanien die Westsahara dekolonisiere. Für die Unabhängigkeit des Landes hatte der Frente Polisario – die von der Bevölkerung und von der UNO anerkannte Vertretung der Sahraouis – schon zuvor zu kämpfen begonnen. Nach der marokkanischen Besetzung ordnete die UNO wiederholt ein Referendum an, in welchem die Sahraouis bestimmen könnten, ob Westsahara selbstständig oder Teil von Marokko werden soll. Marokko hat es verstanden, diese Volksabstimmung immer wieder hinauszuzögern, während immer mehr Marokkaner in Westsahara angesiedelt wurden, so dass sie heute die Bevölkerungsmehrheit stellen. Die ehemaligen Kolonialstaaten und die EU liessen Marokko gewähren, weil ihnen – wie immer in der europäischen Geschichte – Geschäfte mit dem Königreich wichtiger waren als die Rechte eines kleinen unterdrückten Volkes. Faktisch ist Westsahara längst eine Kolonie Marokkos. 

Der EU-Gerichtshof hielt auf Klage des Frente Polisario seit 2015 wiederholt fest, dass die zwischen der EU und Marokko ausgehandelten Assoziations- und Fischereiabkommen nichtig sind, soweit sie Territorium und Gewässer Westsaharas betreffen.

Autonomie unter marokkanischer Herrschaft?

Im Jahr 2007 tischte Marokko eine neue «Lösung» des Konflikts auf: eine «Autonomie» Westsaharas. Der Frente Polisario, die faktische Regierung der Sahraouis, lehnte den Vorschlag ab. 2004 machte der Sonderbeauftragte der UNO den Vorschlag, Westsahara zu teilen, so ähnlich wie die UNO 1948 das britische Mandatsgebiet Palästina zwischen Israel und den Palästinensern zu teilen beschloss; der Ausgang jener Geschichte ist bekannt, es ist daher nicht erstaunlich, dass der Frente Polisario auch diesen Vorschlag zurückwies.

Im April 2022 Spanien sagte Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez, ein Sozialist, der marokkanische «Autonomieplan» sei die «ernsthafteste, realistischste und glaubwürdigste Grundlage für die Lösung des Streits um Westsahara. Im April 2025 bekräftigte der spanische Aussenminister diese Unterstützung anlässlich eines Besuchs seines marokkanischen Kollegen in Madrid. Im Juni 2025 beschloss auch Grossbritannien, seit kurzem ebenfalls unter sozialdemokratischer Führung, den Plan zu unterstützen, nachdem sich das Land zuvor stets für die von der UNO beschlossene Volksbefragung eingesetzt hatte. Frankreichs Präsident Macron hatte den marokkanischen Plan bereits im Sommer 2024 gutgeheissen. Noch weiter war Trump in seiner ersten Präsidentschaft gegangen, als er die Souveränität Marokkos über Westsahara anerkannte und sich damit wie so oft um UNO-Beschlüsse foutierte.

Der Schlüssel liegt bei Spanien

Spanien hat vieles aus der Zeit seiner Kolonialherrschaft wieder gut zu machen. Die Zukunft von  Westsahara ist eines der überblickbareren Probleme, die längst aufgearbeitet gehören. Wenn die spanische Regierung entschlossen die Offensive ergriffe, unter anderem zusammen mit Algerien, das die vielen Sahraoui-Flüchtlinge beherbergt und die marokkanische Politik schon lange kritisiert, wäre die EU endlich gezwungen, ihr feiges Schweigen zu brechen. Und Spanien hat ja durchaus ein Pfand in der Hand, auf das Marokko schon lange Anspruch erhebt: die beiden Städte Ceuta und Melilla an der marokkanischen Mittelmeerküste, die noch immer zu Spanien gehören, zwei andere nicht bereinigte Überbleibsel aus der Kolonialzeit, ähnlich wie die britischen Territorien von Gibraltar und auf Zypern. 

Für Spanien und die EU sind beide Exklaven längst zu einer Belastung geworden, weil viele Flüchtlinge aus Afrika immer wieder versuchen, über die hohen Stacheldrahtzäune in die beiden Städte und damit auf europäischen Boden zu gelangen. Spanien könnte anbieten, Marokko die beiden Territorien zu überlassen, sobald die Sahraouis in Westsahara und in Algerien in einer von der UNO durchgeführten Volksabstimmung über ihre Zukunft bestimmen konnten und das Resultat umgesetzt und von Marokko akzeptiert ist.

Seit fünfzig Jahren warten die Sahraouis auf Freiheit und Unabhängigkeit ihres Landes. Es reicht!

Ausschnitt aus meinem «Grosses Tamtam für Konsumenten & Gleichgesinnte» (1984)

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