Ja, dän gönd doch äntli is Usland – Washington eifach!

Christopoh Blocher am St. Gallen Symposium 2006 und Magdalena Martullo Blocher, 2017
(beide: Wikimedia Commons)

Die politische Schäden für die Schweiz, den Blocher Vater und Tochter seit Jahrzehnten  angerichtet haben, ist unendlich viel grösser als der eventuelle Verlust an Steuereinnahmen, falls die beiden Milliardäre nach Annahme der Erbschaftssteuer-Initiative der Jusos tatsächlich auswandern würden. Das wäre im Gegenteil ein Gewinn, der dem Land nicht nur politisch, sondern auch volkswirtschaflich zugute käme. Der Auszug der beiden angeblichen Superpatrioten würde endlich allen die Augen öffnen.

Die Erbschaftssteuer ist unter allen Steuern sicher fast die gerechteste. Noch gerechter wäre einzig eine Besteuerung des privaten Eigentums an Lebensressourcen: Boden, Wasser, Luft und Bodenschätze [1]; doch diese Idee ist von ihrer politischen Zukunft noch weiter entfernt als die Besteuerung der Erben.

Einst war es in Europa selbstverständlich, dass Erben vom mehr oder weniger unverhofften, aber in jedem Fall ohne eigenes Zutun (perfekter Vatermord ausgenommen) realisierten Zuwachs ihres Vermögens einen kleinen Teil an die Gemeinschaft weitergeben. Ganz oder teilweise ausgenommen von dieser Pflicht waren allenfalls Erben des ersten Verwandtschaftsgrad. Dann aber drang die neoliberale Ideologie in immer mehr Bereichen von Wirtschaft und Politik und ermunterte die Bürgerlichen und Besitzenden, den Konsens sozialer Teilhabe Schritt für Schritt und ohne Erröten in Frage zu stellen. Die Abschaffung der Erbschaftssteuer in vielen Kantonen und Staaten ist eines von vielen Resultaten dieser gesellschaftsschädigenden Ideologie im Dienste der eh schon Reichen.

Über die Formulierung der jungsozialistischen Volksinitiative [2] kann man gewiss geteilter Meinung sein; sozialistisch ist sie mit Sicherheit nicht. Sie betrifft lediglich Erbmassen von mehr als 50 Millionen Franken, und erst ab der 51. Million soll die Hälfte an den Staat fallen. Doch die Organisationen der wirklich Reichen, einer verschwindende Minderheit, führen sich via Politik (von rechtsextrem bis grünliberal) und Medien schon seit anderthalb Jahren auf, als ginge es um den Untergang der Schweiz und des ganzen Abendlands [3]. Dabei geht es ihnen weniger um die Formulierung der Initiative als darum, mit einem vernichtenden Volksnein das Prinzip der Erbschaftssteuer grundsätzlich zu beerdigen. Dabei ist ihnen jedes Mittel recht, von der Behauptung, die Reichen würden noch Annahme der Initiative auswandern [4] [5], bis zur ebenso unbelegten Behauptung, Familienbetriebe müssten im Erbfall Konkurs anmelden. Selbst die Warnung, nach Annahme der Initiative würde ich die Schweiz weniger Steuern einnehmen, stützt sich auf durchaus umstrittene Studien, die vorwiegend von den Organisationen und Parteien der Reichen in Auftrag gegeben worden waren.

Die Tatsache, dass gerade Erbschaften die wachsende Kluft zwischen den wenigen Reichen und dem Rest der Bevölkerung vorantreiben, geht in der von den meisten Medien willfährig mitgetragenen Kampagne gegen die Initiative vollkommen unter. Die meisten Reichen und ihre Lakaien sind anscheinend nicht in der Lage, die auch sie selbst bedrohende Gefahr der zunehmenden gesellschaftlichen Spaltung zu erkennen – oder sie wissen darum und haben sich längst ein sicheres Plätzchen im Ausland eingerichtet für den worst case, bei dem es für sie in der Schweiz gefährlich werden könnte.

Bei der Volksabstimmung vom 30. November geht es in nächster Linie darum, ob eine bedeutende Minderheit für das Prinzip einer Erbschaftssteuer eintritt oder ob sich eine überwältigende Mehrheit für Steuerfreiheit ausspricht. Alles übrige sind Details.

PS: Blochers Milliarden

Die Grundlage des grossen Reichtums von Blocher Vater und Tochter gründet nicht auf harter Arbeit (sie ist nicht tausendmal härter als die eines Mitarbeiters ihrer Firma Ems-Chemie), sondern auf Glück und Finanzjongliererei. Christop Blocher war in jungen Jahren rechte Hand des damaligen Ems-Besitzers. Nach dessen Tod wollten die Erben den finanziell maroden Betrieb nicht übernehmen und beauftragen Blocher daher mit dem Verkauf. Nachdem er angeblich keinen Käufer finden konnte, verkaufte Blocher die Ems zu einem Viertel des Substanzwerts an sich selbst. Das grosse Geld aber machte Pfarrerssohn Blocher zusammen mit seinem Banken-Spezi Martin Ebner bei Finanzgeschäften und dank horrender Entschädigungen als Verwaltungsrat in Ebners Imperium. [6]


Diskussion

Beat: Wenn man selber ins Ausland vereist, aber unbedingt interessanterweise den Schweizer Pass behalten will, kann es einem ja schon egal sein, wenn diejenigen, die die Hauptsache der Steuern in der Schweiz zahlen ausziehen.

Billo: Du hast da was missverstanden, Beat. Ich war nie dagegen, dass jemand aus mehr oder weniger freien Stücken seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt (lese ich Neid aus deinen Zeilen?). Ich kritisiere jedoch  die kampagnenmässig organisierte Drohung von Superreichen, dies zu tun, falls man ihr Erbe ab der 51. Million besteuern sollte.
Im übrigen ist deine Behauptung, dass die Superreichen die Hauptlast des Steueraufkommens tragen, nachweislich falsch. Weniger als fünf Prozent der staatlichen Einnahmen aus Einkommens- und Vermögenssteuern stammen von den Superreichen, also von Menschen mit einem Vermögen von mehr als 50 Millionen, siehe [7]. 
Du hast das wohl verwechselt mit der individuellen Perspektive. Natürlich liefert eine reiche Person einen höheren Prozentsatz ihrer Einkommen und Vermögen an den Start ab (jedenfalls, wenn sie nicht trickst [8] [9]) als eine ärmere Person. Das ist ja auch der Sinn von Steuergesetzen in demokratischen Rechtsstaaten: dass eine Person, die mehr hat, prozentual mehr zum gemeinsamen Ganzen beitragen soll als eine weniger begüterte Person. Für diese Progression sprechen soziale Gründe, aber auch der Umstand, dass das gemeinsame Ganze den Reichen offensichtlich mehr bringt als den Angehörigen der grossen Mehrheit.


Quellen:
[1] https://blog.billo.ch/?p=4398 und https://blog.billo.ch/?p=4408
[2] https://zukunft-initiative.ch/de/
[3] https://www.republik.ch/2025/11/12/mit-millionen-medien-und-wissenschaftlern-fuer-die-reichsten-der-schweiz
[4] Blocher Vater: https://www.tagesanzeiger.ch/blocher-will-erbschaftssteuer-initiative-der-juso-canceln-315310007666
[5] Blocher Tochter: https://www.nzz.ch/wirtschaft/juso-initiative-ems-chefin-madalena-martullo-blocher-ist-empoert-ld.1839375
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Christoph_Blocher
[7] Viel Vermögen – wenig Steuern: So profitieren Super-Reiche
[8] Beamte, Banker und Bananen, WoZ, 29.11.2024
[9] Steuerhinterziehung: «Die Schweiz ist da ein Ausreisser», WoZ, 29.02.34


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