Europa ist am Arsch – aus fehlgeleiteter eigener Kraft

Hilfe! Die von Zeus in Stiergestalt entf¨ührte Europa. Statue in Agios Nikolaos, Kreta
(Foto: Hammerwerfer 1 / Wikimedia)

Im Lauf jahrhundertelangen Wohlergehens auf Kosten anderer Völker ist Europa bequem geworden. Die verwöhnte Bevölkerung in den europäischen Ländern lässt sich von zunehmend korrupten politischen und wirtschaftlichen Eliten an der Nase herumführen. Heute sitzt Europa zwischen allen Stühlen und sieht sich von lauter militärischen und wirtschaftlichen Feinden umgeben. Selbst der transatlantische Überpartner hat Europa militärisch den Rücken gekehrt und einen Wirtschaftskrieg erklärt. Wie kommen wir da wieder raus? Ein paar Vorschläge.

Trotz wahnwitziger Aufrüstung werden Nato, EU und ihre Mitgliedsländer nicht in der Lage sein, eine Bevölkerung von 500 Millionen Menschen zu schützen, wenn es tatsächlich zum Krieg in Europa kommen sollte, den manche herbeireden. Vor allem aber sind die Regierungen schon ohne Krieg immer weniger in der Lage, die angeblich einfachen Leute vor dem schrittweisen Zerfall des sozialökonomischen Systems zu schützen. Die Wut, die Verweigerung aktiven MItwirkens und eine zunehmenden «Unregierbarkeit« wird von von herab mit schleichendem Abbau von Demokratie und Rechtsstaat beantwortet, um mögliche Rebellionen unter dem Deckel zu halten, was die Auflösung der «Wertegesellschaft» nur noch beschleunigt. Es schwinden Solidarität und Offenheit unten und es grassieren Neologismen oben, wie etwa das in der EU diskutierte Greenwashing von Waffen bis hin zu Atombomben.

Europa ist auf dem Weg, lächerlich, unglaubwürdig und unbedeutend zu werden – und zu einem unsicheren Ort für seien Bevölkerung. Wie kommen wir von dieser schiefen Ebene weg?

1. Neutrales Europa ohne Nato

Ein Krieg in Europa war schon spätestens im letzten Jahrhundert keine haltbare Option mehr, jetzt wären die Folgen noch verheerender und definitiver. Die Nato galt lange als Garant für die Sicherheit Europas, doch nach Ende des Kalten Kriegs suchte sich die quasi arbeitslos gewordene Nato unter imperialer Führung des US-militärisch-industriellen Komplexes neue Aufgaben, die weit über eine Verteidigung hinaus gehen. Damit wurde der Nährboden für die aktuelle Unsicherheit bereitet.

Auch aus Aussensicht zeichnet sich Europa durch Unsicherheit aus. Nicht nur für Russland ist unklar, was EU/Nato eigentlich wollen, Würden die europäischen Staaten die Nato verlassen, ihre eigenen Streitkräfte in einem europäischen Verbund politisch und strategisch auf Verteidigung beschränken und Europa in einen militärisch neutralen Kontinent verwandeln, schüfen sie damit wieder mehr Sicherheit für andere Länder und gleichzeitig im Innern. Die derzeit herbeigeredete Angst, Russland (oder gar China!) könnte Europa angreifen wollen, würde vollends gegenstandslos, sobald Europa sich für neutral erklärt und sich für normale Beziehungen zu allen Staaten engagiert.

2. Freihandel auf Augenhöhe, Binnenmarkt stärken

Europa ist dank der nach dem Desaster zweier Weltkriege gewachsenen Vereinigung heute ein Binnenmarkt von gegen 500 Millionen und könnte sie aus eigener Kraft problemlos mit allen nötigen Gütern und Dienstleistungen versorgen. Exporte und Importe im grossen Stil sind keine zwingenden volkswirtschaftlichen Notwendigkeiten, sondern dienen privaten Kapitalinteressen. (Nachtrag 07.12.2025:) Darum ist es belanglos, wenn der Weltmarktanteil, die Wachstumsraten und die globale politische Bedeutung Europas schrumpfen – wenn man die eigenen Möglichkeiten pflegt und nutzt, statt verblichener Grösse nachzutrauern, die ja auch höchst problematische Folgen hat.

Europa sollte sich darauf konzentrieren, den eigenen Binnenmarkt anfrage- und angebotsseitig zu stärken, ohne sich dabei vom Handel mit anderen Ländern zurückzuziehen. Dieser Handel sollte sich aber, wie im Innern, an den Prinzipien des Freihandel orientieren, weder Exporte noch Importe staatlich zu unterstützen, und Staaten mit Zöllen belegen, solange sie sich dem Freihandel verschliessen. Auf diese Weise, und befreit vom vermeintlichen Zwang zu extremer militärischer Rüstung, könnte die europäische Industrie sich darauf konzentrieren, die Wohlfahrt der europäischen Bevölkerung zu fördern.

3. Afrika!

Die historische Schuld gegenüber den ehemaligen Kolonien sollte Europa begleichen durch eine wirtschaftliche Zusammenarbeit, die nicht wie bisher vor allem den Nachfahren der Kolonialisten, sondern der Eigenentwicklung dieser Länder dient und damit Gerechtigkeit und Frieden fördert.

In einer neuen globalen Ordnung konkurrierender Mächte, die sich ihre «Hinterhöfe» sichern wollen, dürfte ein neutrales und wirtschaftlich eigenständiges Europa Afrika nicht länger als seinen (in den letzten Jahren verspielten) Einflussbereich verstehen, sondern als logischen Partner. 

Afrika ist der am raschesten wachsende Markt, der im Jahr 2050 etwa zweieinhalb Milliarden Menschen wird mit Nahrung, Arbeit und Sicherheit versorgen müssen. Wenn das nicht gelingt, wird Afrika zu einem Krisenhard, der auch Europa bedroht. Mit Entwicklungshilfe wird das nicht abzuwenden sein, sondern einzig mit dem Erstarken eigenständiger Märkten auf dem Kontinent. Hierzu kann Europa beitragen,

4. Die EU jetzt entwickeln statt erweitern

Die EU hat einen offensichtlich gewordenen Bedarf für institutionelle Reformen an Haupt und Gliedern. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Kommunikation brauchen mehr Schutz. Gleichzeitig muss die Subsidiarität von Entscheidungsbefugnissen und Verantwortlichkeiten gestärkt werden, bis hinunter auf Gemeindeebene. Solange solche Reformen unterbleiben, wird es zunehmend paradox, von Beitrittskandidaten die Einhaltung der EU-Regeln einzufordern.

Eine Erweiterung der EU um neue MItgliedsländer müsste bis zur Umsetzung solcher Reformen zurückgestellt werden, nur schon, um die internen Entscheidungen nicht noch schwieriger werden zu lassen. Als Überbrückung können Beitrittskandidaten befristete Assoziationsverträge angeboten werden.

5. Ukraine

Der Krieg in der Ukraine wird am raschesten dadurch beendet, dass sich die EU und ihre Mitglieder für neutral erklären und ihre enormen Mittel nicht länger für Waffen, sondern für Wiederaufbauhilfe einsetzen. Es geht dabei nicht um Moral, die das Verhältnis zwischen Staaten nicht zu regeln vermag, sondern um humanitäres Handeln.

Für einen allfälligen Beitritt der Nachkriegs-Ukraine zur EU muss das unter 4. Ausgeführte erst recht gelten. Rasche, gezielte und überwachte Hilfe für die ukrainische Bevölkerung muss klar getrennt werden von einer allfälligen späteren Aufnahme der Ukraine als EU-Mitglied. Eile für eine solche Aufnahme ist überhaupt nicht angezeigt, das Land ist noch weit entfernt davon, die Beitrittsbedingungen zu erfüllen, so wie andere Kandidaten auch. Die Hilfe für den Wiederaufbau wird die EU finanziell bereits sehr belasten, eine zusätzliche und unberechenbare Belastung durch eine übereilte Aufnahme in die EU wäre ein folgenschwerer Fehler.

Und nun, was tun?

Die Regierungen in Europa und die Führung der EU werden die oben erläuterten Vorschläge nicht aus eigenem Verstand prüfen, das ist klar. Mit dem Instrument der Europäischen Initiative könnten sie aber damit konfrontiert werden. Als Schweizer kann ich keine Initiative in der EU lancieren, weiss aber aus Erfahrung, dass Volksinitiativen ein sehr wirksames Mittel sind, Themen von unten zu setzen. Mindestens eine Million Unterschriften in mindestens sieben Mitgliedsländern müssten doch in weniger als einem Jahr zu sammeln sein.

Was meinst du dazu?


Diskussion auf Facebook

Andrej: Macht nix. Einfacher Leben. Und das Kapital kann nicht weg. China hat selber.

Beat:  Heinzpeter Studer ist am Arsch.

Charlotte: Mir scheint eher deine Art zu kommunizieren am Arsch. Auch darum sind wir weltweit am Arsch, weil so viele Menschen nicht mehr zuhören, abwägen, diskutieren, sondern einfach unflätig austeilen. Du hast wohl keine Zeile vom Text von Billo gelesen? Nie hat ein Krieg Frieden gebracht, nie!

Irmy: Die Kriegstreiber sind halt auch im Privaten unverschämt und masslos, Charlotte.

Charlotte: Genau, Irmy, alle unsere kleingeistigen Wasserträger und Erbsenzähler.

Joachim: Beat Burri hach, ich mag sie, die europäischen Trottel, die tatsächlich immer noch der Meinung sind dieses grenzenlos versiffte Europa hätte noch irgendwas zu sagen.
24 Stunden Singapur und man kommt aus dem Heulen nicht mehr raus, wie unvorstellbar weit wir Jahr für Jahr immer weiter zurück gelassen werden.
Aber manche sind halt einfach ihr Leben lang gern am Arsch daheim.

Billo: Ich lass die völlig argumentenfreie Frechheit von Ex-Fb-friend Beat Burri nur stehen, weil sie treffend beantwortet wurde, danke! Weitere Sottisen dieser mir nicht näher bekannten Geistesgrösse werd ich löschen.

Dario: Caro Billo, le tue riflessioni sono stimolanti e molte analisi mi trovano d’accordo, ma permettimi un’osservazione più radicale sul punto centrale: la classe dirigente europea attuale (politica, economica e mediatica) non è in grado né disposta a recepire un’istanza dal basso che metta in discussione il crescente riarmo e l’economia di guerra, in particolare quella che si sta consolidando in Germania.
Un milione di firme, con gli strumenti democratici odierni, verrebbe trattato come si tratta la partecipazione popolare: un orpello procedurale, utile da mostrare alle conferenze stampa e da ignorare nella pratica. Il problema non è la scarsità di idee: è la sordità strutturale di una élite che difende la propria sopravvivenza più che il futuro dell’Europa.
Per questo, temo che senza un ricambio radicale di questa classe dirigente non ci sarà alcun risultato tangibile. L’intero discorso sulla neutralità europea, sul rapporto con l’Africa, sul rafforzamento del mercato interno o sulle riforme dell’UE rimarrà confinato nel regno delle possibilità, mai in quello delle decisioni. A mio avviso, la vera svolta non potrà che arrivare dalle università, dai giovani, dalle menti fresche e non imbrigliate dagli schemi ideologici che oggi paralizzano la politica europea. È lì che può nascere un nuovo pensiero: libero da preconcetti, aperto alla complessità, capace di diffondere sapere e razionalità anziché propaganda e paura.
Solo una generazione capace di immaginare un altro modello potrà ritagliarsi (e offrirci) uno spazio di benessere e di crescita collettiva attraverso un sistema completamente nuovo, ancora da inventare. Le iniziative popolari restano utili come termometro, ma la cura non verrà da chi oggi occupa le istituzioni: verrà da chi le sostituirà.
Un abbraccio.

Erich: Die Völkergemeinschaft soll die USA besetzen. Sie ist relativ dünn besiedelt. China, Indien und ein vereintes Afrika könnten etwas mehr Platz gebrauchen. Europa ist gut so wie es ist.
Es ist Zeit, dass man wie Donald Trump neue Ideen entwickelt! 😉
Die UNO könnte die USA besetzen und in „Stolen Land“ umbenennen. Dann die geschriebene Geschichte als illegal erklären und das Land neu besiedeln. Das aktuelle Unrechtsregime müsste beseitigt werden. Natürlich ginge das nicht ohne Gegenwehr. Die jetzige illegale Bevölkerung müsste man dorthin schicken wo sie hergekommen ist.

Billo: Caro Dario, assolutamente condivido il tuo punto cruciale. Quello che ci manca ora sono punti di cristallizzazione, a cui delle iniziativa europee potrebbero benissimo servire. Questa era mia idea; non penso che iniziative portate avanti dal basso cambino qualcosa nelle teste dei dirigenti attuali.

Monika: Danke für Deine Gedanken und Vorschläge in Deinem Blog … ja, es geht um eine neue Ordnung, die eine Friedensordnung sein muß. Dazu sind Deine Gedanken hilfreich. Kein Krieg hat je auf Dauer Frieden geschaffen.

Margrit: Europa weht ein eisiger Wind entgegen und heute lieber als erst morgen muss sich Europa neu ausrichten. Das geht nicht so rasch, weil es keinen Diktator gibt wie in den USA, der alles per Dekret einführen kann.
Zum Beitrag: Da ist jemand dem Narrativ von Trump, Putin und dem lachenden Dritten schön auf den Leim gekrochen. Nur weil diese drei Typen sich um Menschenrechte und Demokratie einen Dreck kümmern, im eigenen Land, sowie das auf der ganzen Welt durchziehen, ist Europa nicht abzuschreiben.

Ingrid: Vielleicht müsstest Du das Narrativ, dem Du folgst, näher benennen? Du hältst doch nicht etwa die EU und ihre Partner für Verfechter von Demokratie und Menschenrechten?

Billo: Margrit, man muss nur den Apparat im eigenen Kopf richtig nutzen, um zu erkennen, dass der «eisige Wind», dem sich Europa ausgesetzt wähnt, vollkommen hausgemacht ist und dass die Verbesserung der Lage also nur im eigenen Haus beginnen kann – und muss, und zwar rasch, bevor es zu spät ist. Das zu erkennen braucht es keine Narrative irgendwelcher Art.

Monika: Billo, unglaublich erscheint es jetzt, daß es einmal Abrüstungskonferenzen nach dem 2. Weltkrieg gab, mitten in der Zeit des sogenannten kalten Krieges! Wir hätten damals vielleicht eine Chance gehabt, die starren, waffenstarrenden Blöcke aufzulösen… aber die Kriegsgewinnler scharren mit den Füßen und treiben die Politiker vor sich her.

Christoph: Ich finde Europainitiative eine sehr gute Idee. Bin sehr besorgt. Gerne lasse ich mich weiter informieren.

Billo: Ich hab die Idee nur mal so lanciert, kann sie ja als Schweizer selber nicht umsetzen, da die italienische Bürokratie mein Gesuch um  Staatsbürgerschaft vor gut einem Jahr aus formellen Gründen abgelehnt hat.


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