Den folgenden Post hatte ich Anfang Mai 2010 auf Facebook veröffentlicht und damit eine ausführliche Debatte entfacht, die mir über den Tag hinaus wert scheint, hier festgehalten zu bleiben. (Auffallend übrigens , dass langanhaltende Debatten inzwischen selten geworden sind, jedenfalls auf Facebook; Anm. d. Red., 09.12.2025)

Guenter hat auf seinem Facerbook-Profil eine interessante Debatte lanciert, die ich hier gern zugänglich machen möchte. Im Kern geht es darum, bis zu welcher Grenze unsere Gesellschaft tolerant sein soll gegenüber Gepflogenheiten von Menschen, die sie aus fremden Kulturen zu uns bringen – und mit welchen Mitteln wir für uns Selbstverständliches wie insbesondere die Rechte der Frauen durchsetzen. Bewirken Verbote Sinnvolles? Müssten Menschen abgewiesen werden, die sich bei der Einreise nicht auf unsere Gesetze verpflichten? Spielen wir nicht Rechtsaussen in die Hände, wenn wir weiterhin wegschauen?
Guenter: Ich lehn mich mal aus dem Fenster: die Burka als Totalabschirrmung der Frau ist entwürdigend und in einer westlichen aufgeklärten Demokratie untragbar (im Wortsinne gemeint.) Ich bin für ein gesetzliches Verbot.
Joachim: Bewusstsein wandelt man nicht Verboten… damit wird nur das Gegenteil erreicht… eine Burkaträgerin wird auch kein öffentliches Amt oder sowas «bekleiden»… wenn sie nur so auf die Strasse kommt, ist es doch besser, sie kommt auf die Strasse, als wenn sie nur noch zu Hause hockt
Wenn man allen Menschen die gleichen Rechte zugesteht, muss man ihnen auch gewähren, nach ihrer Façon glücklich zu werden; es sei denn, sie verletzen die Rechte Dritter…Ich wüsste nicht, wo eine Burkaträgerin die Rechte Dritter verletzt… Ihr anblick mag befremden; aber nicht befremdlicher als so manch anderer Zeitgenosse auch. Dies sind die einfachen Grundsätze der bürgerlichen Aufklärung… das ist alles.
Billo: Ich teile die Einschätzung von Guenter und die Verbotsskepsis von Joachim.
Mara: Wenn es die Frau selbst tragen will und sie niemand dazu zwingt, finde ich es in Ordnung. Auch wir westlichen Frauen verstecken unsere Hinterteile unter längeren Oberteilen, weil wir manchmal einfach keinen Bock haben, daß das recht schwellkörpergesteuerte Geschlechtspendant uns da hinschaut. Ich trage Kapuze, wenn ich mich verschleiere… Will mir das jemand verbieten, werd ich sicher zum Tier.
Mehrdokht: Ich bin selbst Moslem und finde Burka einfach Scheisse! Keine Frau trägt sie gerne und freiwillig.
Billo: Das hab ich vermutet
Mara: Aber Du kannst ja gar nicht für alle sprechen, Mehrdokht…
Mehrdokht: Mara, ich habe sie gesehen, bei 40 Grad Hitze eingehüllt, während ihre Männer mit aufgeknöpftem Hemd im Schatten sassen. Zudem steht nirgends in Koran, dass Frauen Burka tragen müssen!
Nina: Verbote auszusprechen ist immer die simpelste Variante… aber die Konsequenz dieser sinnlosen Angelegenheit ist halt wahrscheinlich nur, dass die (in Österreich rund hundert) Frauen dann daheim bleiben. Wer hat in den letzten 12 Monaten auf Wiens Straßen eine Burka gesehen? Ich nicht.
Michaela: Sollte man dann einer Nonne auch ein Verbot aufdrücken??? Leben und leben lassen… Das Blöde ist nur, dass wahrscheinlich die meisten frauen mit burka diese gar nicht freiwillig tragen.
Guenter: Ja, Verbote sind meistens eine simple Antwort auf komplexe Fragen… Aber es fragt der Jurist und Aufklärer in mir: Könnte es in diesem Fall nicht ausnahmsweise das Verbot sein, das befreit ,und die tolerante Nichteinmischung die Haltung, die unterdrückt? Nur so zum Nachdenken…
Billo: Ich kann Deine Frage gut verstehen, Guenter. Ich schäme mich beispielsweise, wenn Erstweltler in einem Land wie dem Senegal halbnackt herumlaufen. Jede Kultur hat ihren Anstand, und es passt schon verdammt schlecht in unsere Kultur, wenn Frauen sich verstecken und irgendeiner atavistischen Regel komplett unterordnen müssen – die Burka ist ja nur ein Symbol für vieles mehr. Da hat Toleranz echt Grenzen und verkehrt sich jenseits davon in ihr Gegenteil.
Andrerseits stellt sich doch die Frage, wie wir Frauen (und Männern) aus fremden Kulturen, die aus was für Gründen auch immer hier leben müssen, am besten helfen, bei uns heimisch zu werden. Ich zweifle, dass Verbote der richtige Weg sind, auch wenn ich überzeugt bin, dass wir Grenzen deutlich machen müssen.
Agnes: Ich wäre für ein Burkaverbot, wenn man sicher sein könnte, dass diese Frauen, wenn sie sich nicht mehr komplett verschleiern dürfen (was sie vielleicht fast ein Leben lang taten), sich nicht totalamputiert fühlen würden ohne dieses «Körperteil» und ihrer Identität beraubt. So traurig es ist, wenn ein Stück Stoff so eine Gewichtung bekommt. Da die Verhüllung aber meist ein Tabu ist, würde es sicher zu massiven Störungen im Selbstverständnis dieser Frauen kommen.
Dass ein undemokratisches Mittel auch aufklären kann, Guenter, klar!, wichtiger Gedanke.
Ulrich: In meinem Königreich soll jeder nach seiner Façon selig werden, bin strikt gegen sinnlose Verbote. Welches höhere Rechtsgut würde durch dieses Verbot geschützt ?
Saxo: Wann endlich wird das aufhören, dass Frauen Opfer werden? Einmal vom Zwang, ein andermal vom Verbot. Das ist unerträglich.
Irmy: Es hat nix mit religiöser Toleranz zu tun, die Burka abzulehnen! Hier gehts um massive Frauenunterdrückung. Ein Verbot ist wichtig, aber nicht genug. Ebenso muss bei solch patriarchischen Männern etwas in Richtung Unrechtsbewusstsein erreicht werden. Und dieser Meinung sind auch und insbesondere Menschen mit moslemischem Hintergrung; ich weiss, wovon ich sprech!
Ulrich: Irmy, dann wäre es aber sinnvoller, die Staaten, in denen solche menschenrechtswidrigen Rechtsnormen herrschen, mit Sanktionen zu überziehen, statt dessen kauft man ihnen weiterhin das Erdöl ab, bzw. darf sich der Sohn von Gadaffi auf dem Opernball tummeln. Durch Einschränkung von Grundrechten ein Zeichen gegen Menschenrechtsverletzungen zu setzen, ist einfach der falsche Weg.
Irmy: Ulrich: das mit den Sanktionen ist nicht so einfach… Meist leiden vor allem wieder diejenigen darunter, denen geholfen werden sollte. Gespräche und Diskussionen mit den Betroffenen vor Ort und hier in Österreich wären zumindest ein Zeichen dagegen. Burka ist kein Grundrecht.
Ulrich: Und welche Strafe gibt es dann für die Menschen, die trotz Burkaverbot eine solche tragen? 1 Stunde gut zureden mit Frau Heinisch-Hosek und Frau Marek ?
Irmy: Bestraft gehören die zuständigen «Patriarchen».
Billo: Gut. Der Mann, der seine Frau zur Burka zwingt, wird bestraft, am besten wohl mit ein paar Wochen Gefängnis, damit sich in seiner Abwesenheit die neue Regel schon mal einleben kann. Dann kommt er nachhause, und was passiert dann? Wer schützt seine Frau vor seiner Rache? Und: Die Burka ist ja nur die Spitze des Eisbergs. Was gehört alles zu diesem Berg, den wir schmelzen wollen? Und welches sind die jeweils angemessenen Strafen?
Guenter: Danke euch für die Diskussion, die ich bewusst angezettelt habe… hat mich gedanklich weitergebracht, merci.
Ulrich: Ich habe mal eine Frau mit Burka gesehen, war eine Touristin aus einem Ölscheichtum, vermute ich, sie und ihre Verwandschaft (auch in Burka) hantierten mit Videokameras und anderen Einkäufen. Jetzt versuche ich mir einen Polizisten mit Mundl-Einschlag vorzustellen, der diese Gruppe aufgrund der Lex Heinisch-Hosek bestrafen will, ich glaub, das wäre Stoff für einen Sketch. «Heans, sie dürfen nicht dera Burrko trogn».
Irmy: Billo, in Österreich gibt’s seit ein paar Jahren ein neueres Gesetz, das sogenannte «Rückkehr- und Betretungsverbot» für gewaltätige Partner (die weibliche Form kann ich mir wohl eher sparen) – nach Aufheben der Sperre könnte ja dann erst recht die Rache zuhause folgen… Das Gesetz war aber wichtig und weist Unrecht in seine Schranken. Apropos Spitze des Eisbergs: traurig, aber wahr. Umso eher ist jeder weitere Schritt in Richtung Menschenrechte zu begrüssen!
Ulrich: Sketche sind eine andere Sache, die gibt’s zu jedem Thema. Unterdrückte Frauen sind dadurch aber noch nie glücklicher geworden..
Billo: Sowas gibt’s auch in der Schweiz, Irmy. (Erste Häuser für geschlagene Männer gibt’s inzwischen auch schon, nebenbei.) Einsperren als ultima ratio, um die Frau zu schützen: ja – aber wie lange? Wird sich der Mann im Knast ändern? Oder muss er lebenslang hinter Gittern sein, weil die Rache sonst nur umso schlimmer ist? Und warum hat man ihn denn überhaupt einreisen lassen…?
Der Rechtsstaat nach unserem Verständnis ist überfordert mit den Fragen, die sich aus dem extremen Konflikt zwischen unseren Werten und den Vorstellungen erzpatriarchaler Kulturen ergeben. Er ist es ja auch bei der Rückführung von Kriminellen, welche als Asylanten getarnt einwanderten, und er ist es auch gegenüber abgewiesenen Asylbewerbern. Grundsätzlich gibt es nur zwei Lösungen: entweder geben wir den Rechtsstaat auf, oder wir prüfen jede Person, die einwandern will, auf Herz und Nieren und Gesinnung.
Ulrich: Also 100 Burkaträgerinnen + ihre Superpatriarchen kippen in Österreich den Rechtsstaat? Dann war mit dem vorher aber auch nicht viel los…
Irmy: Eine ganz einfache Frage: weibliche Beschneidung ist in Österreich (nach meinem Wissen) verboten. Worin liegt hier ein grosser Unterschied zum Tragen dieser Burka? Natürlich ist Körperverletzung noch schlimmer, aber wie Mehrdokht weiter oben erwähnt: Sommerhitze plus Burka = unzumutbar.
Billo, durch ortsübliche Gesetze kann im Lauf der Zeit zumindest eine Umorientierung herbeigeführt werden. Sobald man mit Unrecht konfrontiert ist (und beim Einwandern von Burkaträgerinnen ist dies der Fall), reicht es mir nicht, von anderen religiösen Bräuchen zu sprechen. Hier passiert Frauenunterdrückung in schlimmer Form.
Billo: Ganz einverstanden mit Dir, Irmi. Vorschlag, noch sehr roh: Bei der Einwanderung muss der Mann unterschreiben, dass er zur Kenntnis genommen hat, was alles verboten ist, und dass er bei Zuwiderhandlung sofort in seine alte Heimat abgeschoben wird (aber ohne Frau und Kinder). Das würde wenigstens künftige Fälle lösen helfen, und der Rechtsstaat wäre nicht verletzt.
Irmy: Fänd ich beispielsweise eine gute und vernünftige Lösung!
Ulrich: Abschieben für Burkatragen? Und dann ist der Rechtsstaat nicht verletzt ? Ist «der» Moslem jetzt an allem schuld, nachdem «der”»Jude es nicht mehr sein darf? Wählt ihr morgen alle die Frau Rosenkranz?
Billo: Moment, Ulrich: Es geht nicht allein um die Burka. Es geht um einen Kanon von Selbstverständlichkeiten in unserer Kultur, der ja auch nicht kampflos errungen worden ist. Die Gleichberechtigung der Frauen gehört dazu, auch in Gesetzesform. Wenn ein Einwanderungsgesetz nun festlegt, was ich oben vorgeschlagen habe, ist dies rechtsstaatlich prinzipiell in Ordnung.
Dass so eine Regelung auch missbraucht werden oder mit problematischen Regeln angereichert kann, ist mir schon klar, darum sag ich ja auch, mein Vorschlag sei noch sehr roh.
Aber anders als mit klaren Zugangsregeln lassen sich diese Probleme gar nicht lösen – sie werden sogar noch schlimmer, weil sie von rechtsaussen politisch instrumentalisiert werden, unter schleichender Aushöhlung des Rechtsstaats und der Menschenrechte, übrigens.
Irmy: Ulrich, „der Moslem“ legt im allgemeinen keinen Wert aufs Burkatragen. Das sind extreme Fälle. Frauenunterdrückung mit Judenverfolgung gleichzusetzen find ich unhaltbar. Das Grenzenziehen immer nur «rechtsaussen» zu überlassen kommt mir vor wie die einst so beliebte Beschwörung der «antiautoritären Erziehung».
Ich könnte dir nun umgekehrt vorwerfen, Genitalverstümmelung und andere Widerwärtigkeiten zu unterstützen. Mach ich aber nicht, wenngleich mir dein Vorschlag, Rosenkranz zu wählen, schon sehr untergriffig daherkommt..
Ulrich: Die Grenze ist doch längst durch bestehende Gesetze gezogen, ein albernes Burkaverbot ändert doch daran nichts. Es tanzt nicht nur Gadaffis Sohn auf dem Opernball, es kommt auch der iranische Außenminister auf Visite.
Wo werden denn jetzt die «Zeichen» gesetzt ?
Edith: Irmy, bin völlig deiner Meinung: Bestraft gehören die zuständigen «Patriarchen».
Irmy: Dass hinsichtlich Burka Zeichen gesetzt werden, hat mit den Machtspielchen der oberen Etagen wenig bis gar nix zu tun. Amerika war mir übrigens immer schon der allerliebste Ratgeber in Richtung falscher Diplomatie…
Und danke, Edith. Man kann nicht so tun, als ging’s um ganz normales, religiöses Brauchtum!
Ina: Burka oder nicht, meine Hauptsorge ist das nicht. Viel schlimmer finde ich, dass manche Staaten sich selbst in ihrer Staatlichkeit beschneiden und auf manch Ebene eine Parallelgesellschaft forcieren wie in Grossbritannien, wo man sich mittlerweile «aussuchen» kann, ob man britisches Recht oder das der Sharia wählt. Und das ist die wahre Beschränkung und Bevormundung der Frau.
Billo: Also mit Gadaffis Sohn waren wir in der Schweiz ja schon bestens bedient. Die Lehre daraus: Auch Diktatorensöhne dürfen nur einreisen, wenn sie unterschreiben, dass sie sich an die Gesetze halten, andernfalls…
Damit wird auch schon deutlich, wo die Krux meines Vorschlags liegt: Die classe politique muss endlich aufhören, Probleme durch als Toleranz verkauftes Nichtstun auszusitzen.
Und was die Haltung gegenüber Diktaturen betrifft: Die classe politique muss aufhören, überallhin freundlich zu lächeln, wenn sie ein Geschäft wittert. Diesbezüglicher Härtestest: das Verhalten gegenüber der chinesischen Diktatur.
Ulrich: Also Billo, diese Unterschrift hat’s Dir schon angetan, damit unterschreibt der böse Fremde, daß er alle Pflichten aber keine Rechte hat? Hackeln darf er, aber bitte nicht in der Öffentlichkeit als Fremder erkennbar sein? Möchtest Du so ein Zettelchen auch unterschreiben, wenn Du auf Geschäftsreise nach Saudi-Arabien fährst? Als Tourist nach Dubai?
Billo: Nun mal halblang, Ulrich: Für mich als Tourist oder Geschäftsmann gelten in einem Land mit fremder Kultur gnadenlos die dortigen Regeln, ob ich unterschreib oder nicht. Im Gegensatz zu vielen Einwanderern aus fremden Kulturen bei uns hab ich das bildungsmässige Privileg, mir des Unterschieds bewusst zu sein und mich selber über geltende Regeln informieren zu können und zu wollen.
Und was das Hackeln betrifft: Viele, die in die Schweiz kommen, dürfen ja nicht mal das – und werden dann nicht zuletzt deswegen kleinkriminell.
Was die Rechte betrifft: Die sind tatsächlich für viele Einwanderer ziemlich mickrig. Je nach Land, in welches ich auswandern würde, wären meine Rechte allerdings auch arg bescheiden, vor allem dann, wenn ich als mittelloser Flüchtling hinginge.
Dies alles schleckt aber das Problem nicht weg, von welchem die Diskussion hier ausging und für das es bisher keine gute Lösung gibt.
Bis hierhin ging die Debatte auf Guenters Facebook-Profil.
Nachdem ich sie auf meinem Profil dokumentiert hatte, ging die Debatte hier weiter:
Irmy: Lieben Dank, Billo… und auch an Guenter, der das Thema gut aufbereitet hat. Vielleicht mag ja von meinen friends noch jemand Stellung dazu nehmen?
Karin: Schon der Kinder willen bin ich für ein Verbot von so radikalen Ausgrenzungsmasnahmen. Damit meine ich nicht nur die radikalen Muslime, die ihre Mädchen dazu zwingen, am Rand einer fröhlichen sportfreudigen Jugend zu leben, sondern auch die Juden, die Zeugen Jehowas, einige Politiker, und viele viele mehr. Ich wünsche mir einfach etwas mehr Toleranz auf allen sSeiten, und dass Kindern die Ansichten der Eltern vorgelebt, aber nicht aufgezwungen werden. Ich hätte nichts gegen Burkas, wenn die Frauen sie nach Lust und Laune tragen könnten, und nicht auf Wunsch ihrer Eltern oder Männer. Im Winter, wenn ich deprimiert bin und eigendlich gar nicht raus will, könnte ich mir so ein Gewand als angenehm vorstellen. Aber ich glaube, im Sommer braucht es mehr als Gottesehrfurcht, um es ohne Hitzschlag zu tragen…
Das mit der Unterschrift von Billo finde ich eine klasse Sache. Denn wir sind doch genauso ein Land mit Kultur, wie alle anderen auch, Neutralität und Toleranz, und unsere Liebe zu fremdländischen Kulturen in Ehren. Aber was mir als ausgewanderte Frau in einem muslimischen Land widerfährt, wenn ich im Bikini auf der Strasse mit jemandem knutsche, möchte ich gar nicht wissen. Wenn ich dahin auswandere, muss ich mich anpassen, egal, ob ich aus Freude am Land oder aus Angst vor meinem Herkunftsland ausgewandert bin.
Religion steht meines Erachtens einer Integration nie im weg. ich bin als Buddhistin aufgewachsen und lebe auch ein klein wenig in zwei Kulturen, ich gebe sie auch an meine tochter weiter, aber das heisst schliesslich nicht, dass sie am Religionsuntericht in der Schule nicht teilnehmen darf, sie muss schliesslich wissen, was hier Brauch ist, wenn sie Freunde haben will. Oder macht es wirklich Sinn, sie nur das Essen mit den Händen zu lehren, damit sie von Freundinen komisch angesehen wird?! Oder Weihnachten zu streichen, damit sie traurig ist?! Ich erkläre ihr halt meine Gründe und auch die Gründe der anderen, es anders zu machen. Meine Religion ist nicht schlechter als das Christentum, ich brauche keine Verbote, damit meine Tochter ihren Weg im Glauben ihrer mutter findet. Wenn sie etwas anderes ausprobieren will, so weiss ich aus eigener Erfahrung, dass sie irgendwann zurück kehrt, denn sie hat eine schöne Kindheit und das wird sie mit dem Buddhismus verbinden. Zwänge haben einfach nichts mit Religion zu tun. Der Glaube kommt aus meiner Sicht aus dem Herzen, und dahin schaffen es Verbote so gut wie nie.
Martin: Um das Ganze vom selbstverständlich notwendigen Ernst eine Minute lang auf die Spassebene zu heben: Wenn sie die Burka nach Lust und Laune tragen können, habe ich auch nichts dagegen, wenn die Sechseläutenmarschteilnehmer und die Krawalleinsatzpolizisten sich mit irgendwelcher absurden kopfbedeckung verhüllen und vermummen.
Fatma: Es darf einfach die Demokratie nicht dazu genutzt werden, menschenrechtsverletzende Glaubensansätze in einem freien aufgeklärten demokratischen Land vorzuleben. Burka tragen und Mädchenbeschneidung sind für mich Verletzungen der Menschenrechte. Es gibt keine Frauenrechte, das ist eine Erfindung zurückgebliebener Länder. Es gibt nur Menschenrechte, und diese mussten wir oder besser unsere Vorfahren hart erkämpfen. Ich sage alles soll verboten werden, was mit Menschenrechtsverletzungen zu tun hat. In diesem Punkt tolerant zu sein, birgt die Gefahr, dass sich solches Gedankengut schnell wie ein Virus ausbreiten kann, und dann stehen wir vor einem Problem, dass wir dann irgendwann nicht mehr bewältigen können.
Irmy: Ganz genau, Fatma! Keine Toleranz für Frauenunterdrückung, darum geht’s, das hat wirklich nix mit Einmischung in eine fremde Religion zu tun.
Falsche sogenannte «Rücksichtnahme» führt nur zur Ausbreitung des Problems. Man muss Grenzen setzen. Und gleichzeitig an der Veränderung des Unrechtbewusstseins bei solchen Patriarchen arbeiten.
Billo:Völlig einverstanden, Fatma – doch trifft Karin es meiner Meinung nach exakt, wenn sie sagt, dass Verbote nicht die Herzen der Menschen erreichen. Menschen davor zu schützen, dass ihnen nichts angetan wird, wogegen wir gekämpft haben, ist das eine, und für diese Menschen ist das sehr wichtig. Wie können wir darüber hinaus aber jene Menschen umstimmen, welche sich solche Übergriffe erlauben? Diese Frage bewegt mich halt auch, schon lange, und ich hab keine Lösung parat.
Martin: Ich hab auch keine parat. dennoch schätze ich diese diskussion als mehrheitlich passiver teilnehmer sehr. dank an alle!
Billo:Die Lösung ist drum so schwierig, weil bestehende Einstellungen leicht verschärft werden können (Populismus), aber kaum umgepolt, leider. Verschiedene sozialpsychologische Studien haben das immer wieder belegt.
Irmy: Es geht nicht von heute auf morgen, aber durch die Arbeit vor Ort wurde auch schon in anderen Bereichen ein Umdenken erreicht (Bsp.: Genitalverstümmelung). Wenn die Einwanderer hier Verständnis für Burka & Co vorfinden, ist es jedenfalls das falsche Zeichen.
Billo:Ja! Die Zeichen müssen wir erst einmal hier setzen. Und die Arbeit von Frauenorganisationen gegen Frauenbeschneidungen in Afrika sind ermutigend.
Edith: Ich finde auch in diesem Zusammenhang Oskar Lafontaines Hinweis auf Rousseau sehr angebracht: «Ich beziehe mich auf Rousseau, der gesagt hat, in dem Verhältnis zwischen Starken und Schwachen befreit das Gesetz, und die Freiheit unterdrückt. Wenn den Starken keine Grenzen gesetzt werden, unterdrücken sie die Schwachen und schaffen ein System der Unfreiheit.»
Nicole: Ich habe mal vor Jahren im Spiegel oder Stern gelesen, dass sich begüterte Frauen aus arabischen Ländern auf ihren Flügen nach Europa in der Toilette umkleiden –raus aus der Burka, rein ins Chanel Kostuem! Das spricht ja wohl Bände…
Fatma: Diese Menschen können wir nicht umstimmen oder schützen, diese Menschen müssen den selben Prozess durchmachen, den wir vor der Aufklärung gemacht haben, damit sie auch Erkenntnisse gewinnen und sich weiterentwickeln können und für ihre Freiheit kämpfen, wie wir das getan haben. Nur wenn der Mensch an seine Leidensgrenze kommt, entscheidet er, ob er etwas verändern will oder nicht. Im Schokiland Schweiz, wo die Demokratie auf dem Silbertablett serviert wird, können die Menschen sich nicht entwickeln. Und wenn wir zu ihnen ins Land gehen und Entwicklungshilfe anbieten, können sie sich auch nicht entwickeln. Also ziehen wir uns zurück, als Helfer aus den Entwicklungsländern und als toleranter Herlfer hier in der Schweiz. Lassen wir die Menschen sich entwickeln, aber mit ihrem eigenen Tun.
Karin: Ich kann einfach nicht glauben, dass der Schweizer so ein Problem aus den Muslimen in unserer Gesellschaft macht. Wir sind doch sonst so gut im Kompromissefinden.
sollen sich halt wirklich unserem Rechtssystem unterwerfen, und dazu gehört aus Menschenrechtsgründen meiner Meinung nach ein Burkaverbot. Wir könnten dafür aufhören, dauernd auf ihnen rumzuhacken und alles abzulehnen, was ihnen wichtig ist.
Es spricht nichts gegen eine praktische Kopfbedeckung. Beim Baden tragen viele von uns Badekappen. Burkinis finde ich allerdings genauso frauenverachtend wie Burkas. Klosterfrauen tragen, wenn sie ausser Haus gehen, auch den Schleier. Ich nehme mal an, eine art Kappe sollte im Turnuntericht kein Problem darstellen. Die meisten von uns hätten sowieso gerne ab der fünften Klasse getrennten Sportuntericht. Zumindest die Lehrer, die ich kenne, finden es von da an nämlich schwierig, in diesen Fächern beiden Geschlechtern gerecht zu werden; das käme den Muslimen zumindest etwas entgegen. Eine Stunde pro Woche Koranuntericht in leerstehenden Klassenzimmern müsste auch drin sein, die katoliken haben dieses Recht auch. Und ein Friedhof, wo sie liegen können, wie sie wollen, müsste auch noch möglich sein, denke ich mal. Sollte ja wohl nicht so schwer sein. Minarette müssten wir eigentlich sowieso akzeptieren, solange unsere Kirchtürme gebaut werden dürfen.
Ich glaube, dass wir ihnen durch Klarheit und echte Gleichstellung die Angst nehmen könnten, dass ihre Kinder hier zu nicht Muslimen heranwachsen. Und wahrscheindlich würde dies auch in ihren Herzen und ihrer Einstellung viel verändern.
Billo: Fatma, ich bin wie Du der Überzeugung, dass die Befreiung eines Menschen nur das Werk dieses Menschen selbst sein kann, wie es schon in einem Vers von Brechts «Einheitsfrontlied» so treffend heisst. Gleichzeitig find ich es jedoch wichtig und richtig, wenn wir in unserer eigenen Gesellschaft dafür sorgen, dass Errungenes und für uns Selbstverständliches nicht einfach unterlaufen wird – weder von Zugewanderten noch von der Reaktion aus der rechten Ecke.
Karin, Dein Gedanke, die Herzen der Zugewanderten durch echte Gleichstellung (statt durch falsche Toleranz) zu gewinnen, ist mir sehr nah. Danke!
Fatma: Meine Mutter kam 1960 nach Deutschland und sie legte das traditionelle Kopftuch ab. Meine Mutter hat nie ein Kopftuch getragen aus religiösen Gründen, sondern weil es in der Türkei, in dem Dorf, wo sie lebte war so war. Für sie war es einfach, sich in Deutschland zu integrieren. Heute nach 50 jahren hat es mehr Kopftuchträgrinnen als je zuvor in Europa und in den islamischen Staaten. Was ist passiert, das diese Menschen so auf ihrer rückständigen menschenrechtsverletzenden Lebensweise beharren? Was ich weiss, ist, das in den muslimischen Ländern das Kopftuch seit den 70er Jahren ein politisches Symbol geworden ist. Man kann in der Art wie man das Kopftuch trägt, erkennen, zu welcher Partei man gehört, es gibt nicht nur ein Kopftuch und eine Burka, sondern verschiedene Modelle. Woher soll ich wissen, dass die Kopftücher hier in der Schweiz aus religiösen oder aus politischen Gründen getragen werden? Darf zugelassen werden, dass Religion für politische Zwecke verwendet wird? Ich kenne hier viele junge Frauen, die das Kopftuch als politisches Symbol tragen. Und da hört bei mir die Toleranz auf. In der Türkei kann seit Jahrzenten keine Entwicklung stattfinden, weil dieses politische Kopftuch an der Macht ist, und es werden von Tag zu Tag mehr. Ich wundere mich nicht, wenn auch in der Türkei plötzlich alle Burka tragen müssen. Atatürk hatte das Kopftuch verboten. Nur so konnte er damals die Türkei modernisieren, mit einem Verbot. Doch leider ist er zu früh gestorben und seine Reformen konnten sich nicht entwickeln, es waren wohl andere Mächte im Spiel, die das verhindert haben.
Zurück in die Schweiz. Ich kenne viel Kopftuchträgerinnen hier in der Schweiz, und ich weiss, dass sie nicht dankbar sind, wenn wir ihnen Toleranz entgegenbringen, sondern sie beharren auf dem Recht, ein Kopftuch zu tragen, mit dem Wissen, dass sie das Rechte tun und wir das Unrechte. Wenn sie könnten, würden diese Menschen uns alles verbieten. Ich habe 40 Jahre für meine Freiheit gekämpft, und ich habe kein Verständnis, wenn eine 20jährige in der Schweiz geborene Türkin voller Stolz ihr Kopftuch propagiert. Das hat für mich nichts mit Religion zu tun, es ist ein politisches Zeichen, und dieses Gedankengut darf sich nicht weiterausbreiten, genauso wie das rechte fasistische Gedankengut sich nicht mehr ausbreiten darf. Hier an diesem Punkt braucht es Grenzen und Verbote.
Ich danke noch recht herzlich, für die vielen guten Feedbacks.
Karin: Mein Vorschlag war Theorie, ich kenne nämlich keine Frauen mit Kopftuch persönlich, obwohl ich viele Muslime kenne, wir haben unseren Laden neben einer Moschee, in einem Haus voller Muslime, durchs Band gut integrierte Muslime, deren kinder den Sportuntericht besuchen und deren frauen zumindest gebrochen Deutsch sprechen und kein Kopftuch tragen. Sogar Röhrchenjeans scheinen bei ihren Töchtern kein Problem zu sein. Sie sahen unsere Volksabstimmung über Minarette zwar mit gemischten Gefühlen, aber sie wollen eh kein Monarett, sondern haben nur Angst vor Diskriminierung.
Ich trage selber oft einen Hut oder ein Kopftuch und sehe nicht, wie man das verbieten könnte, solange klosterfrauen ihres selbst als Lehrerinnen tragen dürfen. Allerdings finde ich das Schweizer Rechtssystem manchmal schräg, denn ich darf meinen Haaransatz nicht verdecken auf dem Passfoto, aber Muslima dürfen dies. Eigentlich bin ich nur der Ansicht, dass die Linken und Grünen dieses Thema nicht mit Schweigen aussitzen sollten. Denn was die Rechte daraus macht, finde ich schlimm, und dass Muslime ihre eigenen Gesetze machen dürften, wenn es nach den Linken ginge, finde ich auch gefährlich. Denn Wohnbezirke, in denen die Sharia Gesetz ist, möchte ich nicht.
Walter: Also ich find das ziemlich abartig, das Tragen bestimmter Kleidungsstücke zu verbieten. Weckt den Verdacht, dass nach dem Minarettverbot nun noch eins draufgesetzt werden soll. Das Problem ist doch nicht die Burka, sondern die (vermutete) Nötigung zum Tragen derselben. Also müsste man den Schutz vor Nötigung im allgemeinen und vor religiös motivierter Nötigung im besonderen verbessern. Allein, meine lieben Freunde aus Österreich und Verteidiger der Werte des christlichen Abendlandes: Da könnte am Ende auch der Katholizimus zur Kasse kommen – oder ist der Pflichtzölibat für Priester etwa keine Nötigung?
Ausserdem bin ich mir nicht so sicher, ob unsere westliche Konsumgesellschaft die Freiheit der Frauen in Dingen der Bekleidung und des äusserlichen Erscheinungsbildes wirklich so viel besser achtet als der böse Muselmann.
Fatma: Es geht nicht um das Verbieten bestimmter Kleidungsstücke, sondern ums Verbieten eines rückständigen, mittelalterlichen, fasischtischen, menschenrechtsunterdrückenden Gedankenguts.
Wie wäre es denn, wenn wir die Moslems als unsere Mitspieler betrachten, auf sie zugehen und sie fragen: Weshalb tragen eure Frauen eine Burka? Wir zeigen Interesse und hören zu. Wir lassen uns Geschichten erzählen und erzählen auch eigene Geschichten. Durch das Erzählen können die Moslems reflektieren.Wir lassen uns erklären, weshalb Frauen im Islam gesteinigt werden. Wir zeigen, dass wir versuchen, es zu verstehen. Und dann erkennen wir Gemeinsamkeiten, ach, das war ja bei uns vor 500 jahren auch so, wir haben Hexen verbrannt. Aha im Osten war vor 1500 Jahren mal eine Hochkultur, heute haben wir diese usw. Beide Seiten erkennen, dass eigentlich Gemeinsamkeiten da sind, man muss sich nur wieder gegenseitig daran erinnern. Im Grunde hat jeder die Fähigkeit, über Gut und Böse zu entscheiden. Jeder hat eine Weisheit in sich ,die alle kennen, man muss sie in sich selbst erfahren und wenn das nicht geht, müssen wir uns gegenseitig daran erinnern.Wir müssen die anderen mit dem, was wir wissen, einfach nur daran erinnern, wie es bei uns war, früher oder bei ihnen, ganz einfach 😉
Walter: Geschichten anhören ist Kür – Pflicht aber sind klare gesetzliche Vorgaben. Dabei macht es aber wenig Sinn, irgendein Gedankengut zu verbieten, denn «die Gedanken sind frei» – d. h. man könnte die Befolgung des Verbots gar nicht überprüfen. Was man kann, ist, konsequent auf der Befolgung a) der geltenden Gesetzt und b) der Menschenrechte zu bestehen.
Im Falle von Ehefrauen, die von ihren Männern terrorisiert werden, gäbe es eine relativ einfache Massnahme, mit der man ihre Position entscheidend stärken könnte: Bleiberecht der Frau im Fall einer Trennung. Aber so weit wollen unsere Freunde von der christlich-abendländischen Garde dann auch wieder nicht gehen.
Billo: Meine Worte, Walter.
Fatma, Dein Vorschlag gefällt mir; ich habe ein paarmal Erfahrungen in diese Richtung gemacht im Senegal. Ich bezweifle allerdings, dass mit Fanatikern ein derartiges Gespräch möglich ist.
Linda: Wir westlichen Frauen haben Jahrhunderte gebraucht, um dem männlichen Geschlecht gegenüber gleichgestellt zu sein. Meine Tochter versuchte ich so zu erziehen, dass sie autonom denkt und sich durch niemanden unterdrücken lässt. Nun habe ich schon öfters eine Familie gesehen, der Mann westlich gekleidet, nur der Bart und die Mütze liessen ihn als Moslem erkennen. Die arme Frau trug eine schwarze Burka (wie kann man durch ein Gitter sehen?) und sogar die Hände waren in schwarzen Handschuhen versteckt. Das ist einfach schrecklich. Jeder Mensch hat ein Gesicht das einzigartig ist. Es erfüllt den Zweck, dass wir uns erkennen können. Ein Gesicht lässt Emotionen erkennen. Wie kann ich wissen, wer unter einer Burka steckt, wie sich dieser Mensch gerade fühlt, was er denkt? Ein Ding der Unmöglichkeit. Und was das mit Religion zu tun hat kann kein Moslem beantworten. Meines Erachtens geht es hier einzig und allein um die Vormachtstellung des Mannes gegenüber der Frau, indem sie durch die Verschleierung unterdrückt und nicht mehr als Frau wahrgenommen werden kann. Ein totalitäres Patriarchat.
Am Freitagabend war Nicolas Blancho als Gast in der Arena (Schweizer Fernsehen) geladen. In seiner Jugend muss einiges neben der Bahn gelaufen sein, denn anders kann ich mir seine radikale, islamische Haltung nicht erklären und er hat sich noch nicht einmal von der Steinigung distanziert. Wir können daher nur etwas bewegen, wenn wir klare Grenzen setzen und ein Burkaverbot aussprechen. Ich will unter keinen Umständen, dass in 20/30 Jahren unsere weiblichen Nachkommen wieder in die Unterdrückung gebannt werden. Auch die momentan diskutierten Burkinis sind degradierend und setzen die Mädchen der Verspottung preis, indem sie als wandelnde Teletubbies durchs Schwimmbad wandeln müssten. So wie es für mich selbstverständlich ist, dass ich mich in einem moslemischen Land den dortigen Gepflogenheiten anpasse darf ich erwarten, dass dies im umgekehrten Falle auch für Moslems bei uns gilt. Sie können und dürfen ihre Religion leben, aber Religion darf nicht die Politik und das alltägliche Leben bestimmen.
Walter: Also nochmals: Wenn Religion «nicht die Politik und das alltägliche Leben bestimmen» darf: Darf dann eine christliche Kirche einem Teil ihrer Arbeitnehmer das Heiraten verbieten?
Linda: Walter, Frage zurück: Wozu braucht man den kirchlichen Segen? Es zählt nur die zivile Trauung! Alles andere ist Schnickschnack, und da ich nicht sehr religiös bin, kratzt mich das auch nicht
Walter: Du kriegst die Stelle ja ohnehin nicht – ebenfalls aufgrund des einzigartigen Privilegiums der katholischen Kirche, sich über alle Regeln der Gleichbehandlung der Geschlechter hinwegsetzen zu dürfen!
Billo: Interessante Position einer gebildeten und im Westen tätigen Muslima, die kein Kopftuch tragen will, aber gegen ein Burkaverbot ist – weil man so die Herzen nicht gewinnt. Entspricht mir sehr.
«Eine Frau in Burka ist 9/11. Was soll das?»
Irene Khan, die erste Frau und Muslimin an der Spitze von Amnesty International, ärgert es, dass Europa ein Verbot der Ganzkörperverhüllung diskutiert. Den eigenen Kopf bedeckt die gläubige Bengalin aber ungern.
Walter: Danke Billo! Tolle Frau!
Hampi: Nun, das ist eine Meinung, ok und gut… Aber das Thema ist viel breiter gefächert. Wenn ich das Verhalten vieler Muslime hier in der Schweiz anschaue, dann stelle ich (und viele andere auch) einfach fest, dass sie uns nicht akzeptieren, uns gering schätzen und unsere Kultur und unser Rechtssystem dazu… unsere Frauen als Nutten und Freiwild betrachten, während sie ihre verhüllen…. So, das musste auch mal gesagt sein…
Sophie: Interessanter Standpunkt! Ich weise in diesem Zusammenhang gerne auf die neue Informations- und Austauschplattform http://migrationsfragen.ch hin. Reinschauen lohnt sich und Mitgestaltung ist willkommen!
Hampi: Einer von vielen Standpunkten, klar… ok; ich schau mal rein.
Ich habe verschiedene Standpunkte – auf einem Bein steht sich schlecht.
Irmy: Hier etwas zum Thema, das meiner Meinung entspricht (danke, Edith):
«Geschlechtsspezifische Bekleidungsvorschriften, die – zumindest teilweise – unter Zwang durchgesetzt werden und den Aktionsradius der betroffenen Personen drastisch einschränken, sind weder mit den Menschenrechten noch mit unserem gesetzlich verankerten Gleichstellungsgebot zu vereinbaren. Das festzuhalten und dazu zu stehen wäre nur logisch. Denn: Intolerant sind die Bekleidungsvorschriften und nicht diejenigen, die sie untersagen wollen. Und: Ein Vergehen wird nicht erst dann zum Vergehen, wenn es häufig vorkommt. Manches, was zum Glück nur selten passiert, ist deswegen noch lange nicht erlaubt.» (Elfriede Hammerl, profil.at)
Hampi: Bingo, Irmy! Das nenn ich den Nagel auf den Kopf getroffen!
Billo: Danke, Irmi. Die atavistische Intoleranz solcher Kleidervorschriften ist ein wesentlicher Punkt (wenn die Frauen sich denn unter Zwang und nicht freiwillig nach solchen Modellen kleiden). Aber folgt daraus zwingend, dass Intoleranz am besten mit Intoleranz entgegengewirkt wird? Auge um Auge? Ich sage nicht, dass ein toleranter Umgang mit der Verschleierung in jedem Fall die richtige Lösung ist; aber Verbote sind genauso problematisch. Weiter oben haben wir auch schon darüber debattiert, was in welchem Fall durch Zwangsmassnahmen entschärft werden könnte.
Hampi: So, jetzt sind wir wieder nur bei den Kleidern gelandet… es geht aber um mehr!
Billo: Natürlich geht es um mehr, Hampi, aber ich mag hier nicht alles wiederholen, was schon früher hier debattiert worden ist.
Hampi: Mich nervt einfach ein wenig dieses ewige: ach seien wir doch tolerant – Toleranz bedingt sich gegenseitig! Einseitig ist es Ignoranz oder Arroganz oder was auch immer – und da steh ich voll nicht drauf…
Irmy: Bingo, Hampi! So seh ich das auch.
Walter: Irmy, «geschlechtsspezifische Bekleidungsvorschriften, (…) unter Zwang durchgesetzt (…) sind weder mit den Menschenrechten noch mit unserem (…) Gleichstellungsgebot zu vereinbaren». Richtig! Jeder erwachsene Mensch soll selber über seine Kleidung entscheiden können!
Hampi,
– dass sie uns nicht akzeptieren: Wer akzeptiert da wen nicht? Ich verwahre mich dagegen, wenn du für mich sprechen zu können glaubst.
– uns gering schätzen: Könnte es sein, dass du ein Selbstwertproblem mit dir herumschleppst?
– unsere Kultur: Was erwartest du denn konkret? Wie würde es sich äussern, wenn sie (deiner Ansicht nach) unsere Kultur respektieren würden?
– unsere Frauen als Nutten und Freiwild betrachten: Männer, welche die persönlichen Grenzen von Frauen missachten, gibt es leider in allen Bevölkerungsgruppen – möglicherweise bei unterprivilegierten Schichten etwas häufiger.
Meiner Ansicht nach hat unsere Gesellschaft hier ein Problem, an dem wir alle arbeiten müssen: Wie man/frau seine/ihre Grenzen markiert und wie man zuverlässig erkennt, wo eine solche markiert wurde (und wo allenfalls nicht), das scheint mir alles andere als einfach und klar. Es scheint eine Vielzahl von Codes, Zeichensystemen, Sprachen zu geben, je nach Gruppe, in der man sich bewegt. Doch wie können wir Einwanderern klare Regeln vermitteln, wenn wir Einheimischen uns selber gar nicht einig sind, was eigentlich Sache ist.
In diesem Zusammenhang irritiert mich allerdings auch deine Ausdrucksweise ein wenig: unsere Frauen – wie meinst du das? Meinst du, wir hätten eine Art Vorgriffsrecht auf unsere Frauen? Irgendwie will mir auch beim besten Willen nicht so recht klarwerden, was der Begriff «Freiwild» eigentlich genau bedeutet.
Auf jeden Fall müssen wir erst einmal das Problem genau benennen, dann eine klare Zielvorstellung entwickeln, und dann (erst) können wir über die anzuwendenden Mittel diskutieren. Minarett- oder Burkaverbote dürften dabei höchstwahrscheinlich ebensowenig dazugehören wie etwa ein Zwang zum Schweinefleisch- oder Alkoholkonsum.
Hampi: Ja genau – aber eben selber!
Irmy: Walter, welche Burkaträgerin sucht sich schon selbst ihre Zwangslage aus? Den Patriarchen, die hier traditionsfreudig agieren, gehört mal endlich ihr Unterdrückungshandwerk gelegt… selbst verstehen sie am besten «ihre Sprache» – und die ist mit Sicherheit keine demokratische. Da gehts nicht um das Vorführen eines stolzen Kleidungsteils. Schon mein Nachname sollte dir symbolisieren, dass ich ein wenig Einblick in entsprechende Welten hab… diese Extremisten unter den Moslems sind einfach in jeder Entwicklung steckengeblieben! Natürlich kann das Verbieten allein nicht genügen… hier ist Hilfe vor Ort gefragt..
Billo: Ja, Walter, dass jeder Mensch frei entscheiden kann, wie er sich kleiden will – ich bin ganz einverstanden. Doch wenn das die oberste Maxime ist: Willst Du also Krieg führen gegen alle Länder, in welchen bestimmten Menschengruppen wie z. B. allen Frauen vorgeschrieben wird, was sie zu tragen haben? Denn das ist doch die Realität, und die paar Burkas, die man hierzulande vielleicht sieht, sind nur ein kleiner Abklatsch davon – und nur den können wir allenfalls mit einem Verbot zum Verschwinden bringen.
Apropos die paar Burkas: Wir stiegen letzten Samstag, kaum in Wien angekommen, ins Tram und standen vor einer total in Schwarz verhüllten Frau; nicht mal die Augen waren zu erkennen. Obwohl Irmy und ich bezüglich Burkaverbot nicht ganz gleicher Meinung sind, waren wir beide gleichermassen betroffen von diesem Signal extremer Unterdrückung (denn dass die Frau dieses Verliess freiwillig trägt, nahmen wir beide nicht an). Und dann klingelt ein Handy, und es gehört dieser Zwangsvermummten, wahrscheinlich ihr Patriarch, der im offenen Hemd durchgibt, wohin sie sich gefälligst zu begeben hat. Die satanische Perversität der atavistischen Kultur, aus der sie zu uns gekommen sind, hätte nicht besser illustriert werden können: Die Frau soll sich bitte verstecken wie in längst vergangenen Zeiten, aber bitte die modernste Technik bei sich tragen, um noch besser kommandierbar zu sein.
Solchen Typen ist echt nur mit klaren Regeln beizukommen, unter welchen sie bei uns aufgenommen werden – und mit einem Zusammenschiss patriarchaler Art, wenn sie sich nicht an die Regel halten. Mit Tyrannen ist jeder demokratische Diskurs nutzlos, man kann sie nur stürzen.
Walter: Irmy, gerade heute ist am Schweizer Fernsehen eine konvertierte Schweizerin in Burka aufgetreten. Und man hört, dass es bei Töchtern islamischer Einwanderer, die pubertierend-experimentierend ihre Identität suchen, durchaus vorkommt, dass sie – meist wohl vorübergehend – die Option Kopftuch (oder in extremis vielleicht auch mal die Burka) ausprobieren. Hast du dir schon mal überlegt, was es auslöst, wenn wir solche pubertäre «Kalbereien» mit staatlichen Verboten belegen, was das für eine Anerkennung bedeutet, wenn wir auf solche Provokationen eintreten? Nun, ich geb ja zu, dass ich zu dieser Welt keinen unmittelbaren Zugang habe und über die Motive von Burkaträgerinnen nur spekulieren kann. Aber Frau Khan scheint mir eine hervorragend informierte Quelle, deren Aussagen wir ernsthaft bedenken sollten. Du hast doch den Artikel sicher auch gelesen!?!
Ganz generell muss man leider wohl sagen, dass Menschen sich durchaus ihre Zwangslagen manchmal wie «selber» auszuwählen scheinen.
Und wie beurteilst du eigentlich die freizügige Aufmachung so mancher bauchnabelfreier Summergirls? Ist das nicht manchmal eine genauso flagrante Verhöhnung der Errungenschaften der Geschlechtergleichstellung? Kann man sich wirklich freiwillig so «anbieten», oder müssen wir hier nicht ebenfalls von im Hintergrund wirkenden manipulativen Kräften ausgehen?
Noch was: «in jeder Entwicklung steckengeblieben» – wenn’s wirklich das wäre, müsste ich sagen, dass man Entwicklungsrückstände wohl kaum mit staatlichen Dekreten wettmachen kann. Und ich frage mich dann auch, ob das Entwicklungsmanko nur die patriarchischen Unterdrücker betrifft und ihre Partnerinnen, zu Hause eingesperrt, wie von Wunderhand einer Bewusstseinsentwicklung nach westlichem Muster teilhaftig wurden.
Und wenn Verbieten allein nicht genügt: Kann es dann angehen, einfach erst mal ein Verbot durchzuboxen, im Vertrauen, dass der «Rest» sich dann quasi von allein ergibt? Warum nicht erst mal die Hilfe vor Ort einfädeln? Vielleicht würde die ja sogar auch ohne Verbot funktionieren, vielleicht sogar besser. Und wenn nicht, d. h. wenn das versucht worden wäre und die Praktiker sagen würden, dass es nicht funktioniert, wenn man nicht sich auch auf ein Verbot stützen kann – dann wäre ich der Letzte, der dazu nicht Hand bieten würde!
So wie das aber jetzt, vor allem in der Schweiz, angegangen wird, bin ich definitiv nicht dabei. Zuerst das Minarettverbot, jetzt die Burka, wer weiss was als näachstes – man fühlt sich doch einfach verarscht durch solche Salamitaktik!
Walter: Billo, aus Distanz kann ich natürlich nicht beurteilen, ob ich die Situation gleich eingeschätzt hätte. Spätestens nach einem Verbot wird es aber mit Sicherheit auch Gelegenheitsburkaträgerinnen aus purer Widerspenstigkeit und Provokationslust geben – je ungeschickter die Repression, desto mehr. Das muss doch ein gefundenes Fressen sein für einen solchen Backfisch, durch ihren Sehschlitz die entsetzten, hilflosen, wütenden, zähneknirschenden, vor den Lippen schäumenden Gesichter der anständigen Bürger zu beobachten.
Demokratischen Diskurs mit Tyrannen fordere auch ich nicht – aber: Wenn man annimmt, mit einem Tyrannen zu tun zu haben: Nicht wahllos drauflosschiessen, sondern dann erst recht zuerst eine saubere Lageanalyse! (Was wollen wir, was haben wir für Mittel, was will der Gegner, wie «tickt» er, was hat er für Mittel …)
Walter: Irmy, deinen Nachnamen habe ich bisher für echt österreichisch gehalten und es mehr als zufälligen Gag angeschaut, dass man ihn auch auf al-Khadr zurückführen könnte. Aber erzähl doch mal, wenn du magst…
Hampi: Mal so ein paar ganz provokative Fragen:
Sollen wir den Kindsmissbrauch auch in dieser Weise angehen? Da er doch erwiesenermassen ein Bestandteil unserer Realität ist, könnten wir doch auch an das Gewohnheitsrecht appellieren und Kinderschändern gegenüber das Gesetz etwas lockern… mehr Toleranz verlangen, und bestimmten religiösen und oder kulturellen Gruppen, wo das sowieso üblich ist, Sonderrechte zugestehen… etc…
Vielleicht sollten wir zugunsten unserer multikulturellen Toleranz das Alter für sexuelle Beziehungen von 16 auf 12 senken… also nur aufgrund des nachweises einer entsprechenden religiösen oder kulturellen Herkuft natürlich – immerhin ist es in gewissen Kreisen ja üblich, dass man eine 12-jährige «Frau» auf Beschluss der Eltern und der Verwandten hin heiraten und schwängern darf… oder dass man darüber einfach Stillschweigen bewahrt und Abfindungen zahlt…
Und ausserdem sollten wir auch die Monogamie überdenken, da es in gewissen Kulturen dem Mann (nicht der frau) erlaubt ist, mehrere Ehen gleichzeitig einzugehen… und seien wir uns doch bewusst, die machen das ja alle freiwillig – es lebe die Freiheit! und seien wir doch tolerant… also natürlich nur den anderen gegenüber… machen wir doch eine Ausnahme, es dient ja der multikulturellen Sache…
Oder wie wäre es mit einer Initiative, unsere ganzen, das Individuum völlig unnötig einschränkenden Gesetze gleich durch die fundamental richtige Sharia zu ersetzen?
Echt! Ihr Toleranten – ihr habt zwar Augen, aber ihr seht nicht mehr!
Walter: Hampi, kannst du eigentlich auch lesen? Kein Mensch hat in diesem Thread «mehr Toleranz», Sonderrechte, Gewohnheitsrecht oder Lockerung irgendwelcher Gesetze oder Regeln gefordert. Im Gegenteil: Wir diskutieren über den Fall, dass ein Ehemann seine Gattin zum Tragen der Burka (und möglicherweise auch noch zu anderem) nötigt. Ein solches Verhalten ist widerrechtlich und strafbar, auch ohne Burkaverbot. Der Verzicht auf ein zusätzliches Burkaverbot bedeutet nicht, dass man die bestehenden Gesetze «lockern» solle (merkwürdige Vorstellung ….)!
Wenn es in einer Ehe so steht, dass der Ehemann die Macht hat, die Frau zum Tragen der Burka zu nötigen, dann hat er auch die Macht, ihr das Verlassen des Hauses zu verbieten. Willst du dann noch ein zusätzliches Gesetz einführen, dass Hausfrauen täglichen Ausgang vorschreibt? Und wenn ja, wie willst du das kontrollieren?
Billo: Walter, für jemand, der in der Schweiz aufgewachsen ist, mag es vielleicht vermutbar sein, dass die bestehenden Gesetze es verbieten, dass ein Mann seine Frau zum Kopftuch, zur Burka, zum Zuhausebleiben usw. zwingt. Aber ein Einwanderer aus einer fremden Kultur kann das schlicht nicht wissen. Daher muss er (und seine Frau) darüber aufgeklärt werden, oder um es direkter zu sagen: es muss ihm «der Tarif erklärt» werden, wie ich das früher in diesem Thread vorgeschlagen hab.
Das pubertär-rebellische Burka-Tragen kann ich mir vorstellen, wenn ich mir viel Mühe geb. Nach Deiner Logik (tolererieren, denn das verliert sich rasch wieder) müsste man auch andere pubertär-rebellische Dinge am besten einfach tolerieren: das mutwillige Quälen von Tieren, das Vergewaltigen von Mädchen, das ein bisschen Umbringen eines zufälligen Passanten, usw., weil Verbote diese devianten Verhaltensweisen nur noch verfestigen würden, nicht wahr.
Ich bin kein Anhänger von Verboten, aber ich habe persönlich wie politisch das Bedürfnis, die Dinge zu klären und dementsprechend klare Grenzen zu ziehen. Genau das vermisse ich sehr in all den Diskussionen über Burka & Co; es grassiert eine Scheu davor, zu klären und Grenzen zu ziehen. (Das ist ja auch in andern Themen leider so, z. B. im Umgang mit Finanzkriminellen im Nadelstreif oder mit Umweltkriminellen auf Teppichetagen.)
Walter: Billo, jetzt fühle ich mich aber mit schweizerischer Gründlichkeit missverstanden! Wie kommst du darauf, meine Logik laufe auf Tolerieren hinaus? Du zwingst mich leider, mich zu wiederholen –vor gerade mal 7 Stunden forderte ich eine saubere Lageanalyse: Was wollen wir, was haben wir für Mittel, was will der Gegner, wie «tickt» er, was hat er für Mittel… Ist das denn so schwer zu verstehen? Deutet das in irgendeiner Weise darauf hin, dass ich mich insgeheim schon für die Laisser-faire-Variante entschieden habe?
Selbst wenn ich mich im Fall des pubertär-rebellischen Burkatragens vielleicht tatsächlich am Ende für Gewährenlassen entscheiden würde, täte ich das nur darum, weil man davon ausgehen kann, dass dadurch (im Gegensatz zu deinen Beispielen) niemand zu Schaden kommt.
Auch ich habe das Bedürfnis, klare Grenzen zu ziehen, nur aber eben nicht zufällig irgendwo, damit etwas unternommen wurde, sondern präzis am richtigen Ort, notfalls auch erst nach eingehender Klärung.
Es fällt mir einfach auf, wie undifferenziert und schematisch mit dem neuen Modebegriff «Grenzen setzen» umgehen. Gerade bei manchen Altlinken habe ich auch zuweilen den Eindruck, sie versuchten hier irgendwas wiedergutzumachen.
Übrigens, die erste, die innerhalb der Linken auf diese Problematik hinwies, war meines Wissens die Genfer Philosophin Jeanne Hersch. Die vertrat allerdings auch noch anderes, mit dem sie in ihrer Partei aneckte, so war sie z. B. für die Atomkraft.
Und dass man Ankommende auf die hier geltenden Regeln und Gesetzt aufmerksam machen muss – von mir aus am liebsten ganz höflich und im Rahmen einer formellen Begrüssung – das steht doch überhaupt nicht in Frage!
Billo: Natürlich höflich; aber als Rahmen würd ich nicht die Form der Begrüssung wählen, wie soll der Ankommende dann verstehen, dass ihm nun erklärt wird, was bei uns gilt? Die Form des Kleinseminars wär klüger.
Ad saubere Lageanalyse: gern, klar – aber dann bitte mit Konsequenzen und nicht als politische Palaver-Ausrede, um Konsequenzen vor sich herschieben zu können.
Ad Jeanne Hersch: Ich erinnere mich nebulös an eine unbequeme Dame innerhalb der SP, die manchmal auch ziemlich arrogant werden konnte. Einige Dinge sah sie richtig, in manchem lag sie völlig schief. Mit einer Philosophin, die AKWs befürwortet, hab ich keine gemeinsame Basis, weil ich ihrer ethischen Haltung insgesamt misstraue.
Walter (zitiert den Artikel «Ich wünsche es jeder Frau. Kopftuch- oder Burkaverbote sollen Muslimas retten. Doch gerade Junge verhüllen sich freiwillig – für Gott» in der Weltwoche vom 13.05.2010) und fasst zusammen: «Die Haltung der streng gläubigen Frauen mag schwer nachvollziehbar sein – mit Zwang hat sie aber, zumindest in diesen Fällen, nichts zu tun.»
Irmy: Zumindest in diesen Fällen (gottlob hast du endlich was gefunden, was deinen Ansichten zuträglich ist ;-)) – ich wünsch mir auch eine Burka zum nächsten Geburtstag, bitte vormerken.
Walter: Vielleicht hat’s mir ja auch der Teufel zugetragen – oder Allah …?
Billo: Kriegst Du aber nicht, Irmy! Da sei Gott vor!… ähm, wer?
Walter: Kriegt sie doch – hab ich nämlich vorgemerkt!
Irmy: Vielleicht krieg ich das von Allah… abwarten und Tee trinken. Allah wird schneller sein… hehe.
Walter: Billo ist ganz verstummt…
Billo: Ist mir doch egal, was Irmy trägt, solang ich das nicht seh.
Irmy: Heimlich werd ich’s tragen.
Christof: Billo, jetzt lass der Irmy doch den sinnvollen Wunsch, es gibt ja Doppelburkas, wo man zu zweit drunter sein kann, was da mitten in jedem Kaufhaus möglich wird (why don’t we do it on the road…)
Irmy: Punktgenau, Christofstein. Alles ist möglich, nur im Lotto nicht.
Walter: Potz B . . . litz! Zwillingsburka …. für siamesische Zwillinge?
Billo: Ich hab mal einen Film gesehn, wo Männer in Burkas verkleidet über die iranisch-irakische Grenze fliehen wollten. Als der Grenzwächter zur Kontrolle der Mitbringsel eine Burka hochhob, traf ihn fast der Schlag 😉
Christof: Na siehst du, man kann doch viel Spass haben mit so einer Burka.
Billo: Ich erinnere mich dunkel, dass die ertappten Männer eher wenig Spass hatten.
Walter: By the way – es wird immer behauptet, die Burka sei durch und durch ein Symbol der Frauenunterdrückung. Ich meine, ursprünglich, bei den Beduinen in der Wüste, bei sengender Hitze oder bei Sandstürmen, da war das vielleicht gar nicht so unpraktisch… Heute ist’s halt vielleicht eine Art Folklore geworden – ähnlich wie unsere Schweizer Sonntagstrachten, die man von mir aus ohne weiteres gleich mitverbieten könnte: Diese Zurschaustellung des Familiensilbers, diese herausgeputzte Biederkeit …. einfach nur widerlich.
Billo: Na na, jetzt untertreibst Du wieder mal geWalter. Natürlich ist die Gesamtkörperverhüllung ein guter Schutz in heisstrockenen Gebieten. Aber deswegen die Burka zur Folklore zu machen, die halt das Gros der Frauen in atavistisch beherrschten Gebieten gerne trägt?
Anita: Ich gewinn bei Walter einfach keine Meter. Mit meiner Ötztaler-tracht, die ich hier bei steirischen Weinfesten ab und an ausführe, wäre ich schon wieder unten durch. Familiensilber hat mir zwar niemand geschenkt, aber falls man mir Biederkeit abkauft, wäre ich äusserst dankbar 😉
Grübel, ob es Fetisch-Burkas gibt?
Walter: Billo, ach das Wort Folklore hab ich doch einfach zur Verdeutlichung eingeführt. Mit keinem Wort behaupte oder suggeriere ich, das Gros der Frauen oder auch nur eine Minderheit trage das Ding gerne. Worauf ich hinauswollte: Nach jener Auffassung, die uns täglich eingetrichtert wird, ist nicht etwa nur die Nötigung zur Verhüllung eine Grenzüberschreitung, sondern das Kleidungsstück als solches wird zum Symbol der Frauenunterdrückung deklariert. Jeder, der in der Burka irgendetwas anderes sieht, wird zum Verharmloser mit krankhafter Realitätsverkennung gestempelt. Deshalb war es mir wichtig zu betonen, dass der ursprüngliche Zweck der Verhüllung sehr wohl auch ein anderer sein könnte als die Erniedrigung der Frau.
Ötzi-Anita: Also in der Schweiz ist das Trachtenwesen schon eine seeehr ernsthafte Sache, musst du wissen – nix da mit so schlüpfrigen Fettig….. oder wie hast du gesagt? Steirische Weinfeste, na sowas 🙁
Billo: Natürlich ist primär die Nötigung das Problem und nicht das Kleidungsstück – allerdings bleibt die Frage, was für Umstände eine Frau dazu bringen können, sich «freiwillig» über und über zu verhüllen. Was muss das für eine Gesellschaft sein, in der sich Frauen unverhüllt nicht wohl fühlen, hä?! Die paar doch eher etwas durchgeknallten Schweizer Muslima, welche sich – so behaupten sie jedenfalls – absolut freiwillig ganz oder teilweise verhüllen, taugen bestenfalls als Ausnahme von der Regel, entkräften diese aber nicht. Freiwillig? Weil Allah es will – soviel zum freien Willen geistig normal begabter Menschen. Tja.
Walter: Also ich möchte jetzt zwischen drei denkbaren Motivationen/Hintergründen unterscheiden:
1. Tradition, Sitte, «Anstand»: Hat nur bedingt mit Religion zu tun, ursprünglich wie gesagt praktische Gründe, dann einfach zur Sitte geworden – man «macht das einfach nicht», ohne Kopftuch oder Burka auf die Strasse gehen. Natürlich spielt Zwang eine Rolle, aber es ist ein verinnerlichter Zwang. Durch die Verinnerlichung solcher Zwänge verschafft man sich eine Position in der Erwachsenenwelt. Gibt’s bei uns alles auch, gab’s vor allem, hast du sicher auch noch erlebt – im Gegensatz zu denen, könnte man meinen, die jetzt alles, was im entferntesten mit 68 zu tun hat, systematisch durch den Dreck ziehen.
2. Religion: Scheint mir im zitierten Weltwoche-Artikel sehr schön beschrieben. Das sind im Prinzip voll integrierte Mädels der zweiten, fallweise vielleicht sogar schon der dritten Generation, und bei denen läuft das exakt nach dem gleichen Muster wie bei ihren Kolleginnen von der christlichen Bibelgruppe. Wenn Gott von mir erwartet, bis zur Ehe jungfräulich zu bleiben… Neue Verbindlichkeit… komm ich kenne doch diesen Diskurs in- und auswendig. Scheint mir auch direkt verwandt mit diesem vielbeschworenen, trendig gewordenen Pochen auf «Anerkennung der Leitkultur» usw.
3. Protest: Auch einheimische Jugendliche lassen sich so einiges einfallen, um sich vom Establishment abzugrenzen. Dass es für Junge mit «Migrationshintergrund» sich anbieten kann, sich mit der Herkunftskultur zu identifizieren, ist doch klar – genauso wie die entgegengesetzte Option der Überanpassung. Die Leute sind ja nicht auf den Kopf gefallen und bekommen auch mit, was in der Welt so läuft! Wenn dann so ein Girlie sagen wir mal: zum «Tauben vergiften» sich Omas Burka greift, heisst dass noch lange nicht, dass Vater sie zwingt, täglich so zur Schule zu gehen.
Martin: Da ist noch die Frage, ob die Krawallpolizei ihren Burka auch freiwillig trägt.
Billo: Hey, die Männer müssen doch nicht! Die laufen im T-Shee rum und in Jeans (es sei denn, sie sind Taliban).
Anita: Ich meine, es ist typisch westlich arrogant, irgendwelche Burka-Trage-theorien zu entwickeln. Auch ob das Tragen ein Zeichen von Frauenunterdrückung ist oder nicht finde ich anmassend, weil ich glaube, dass wir ohnehin nicht durchblicken was bei denen los ist und wie die Prioritäten gesetzt werden.
Tatsache ist, dass die Damen und Herren sich in unseren Kulturkreis befinden, ob freiwillig oder nicht. Daher sind Burkas sicher nicht mit der Nonnentacht oder sonstiges zu vergleichen, weil dieses eben aus unserer Kultur stammt und das wäre ja noch schöner, wenn wir uns an anpassen sollen, damit sich andere wohler fühlen. Zumal es umgekehrt wohl überhaupt kein Thema ist. Es ist wohl gerechtfertigt, dass in unserem Land unserer Kultur höher steht als eine andere, dafür werde ich mich sicher nicht rechtfertigen. Wenn ich jetzt in den Irak ziehe und mit meinem kürzesten Mini durch die Strassen flitze, muss ich mit Ressentiments rechnen, um es einmal lieb auszudrücken. Das mag auch stimmen, dass wir Katholiken unlängst auch nicht viel anders drauf waren als die Islamisten, aber das ist eben vorbei und bei ihnen nicht, also ist das wohl ihr Problem und nicht unseres. Abgesehen davon, dass jeder, den ich kenne, der in Irak/Iran aber auch Sudan/Marokko beruflich tätig ist (alles Akademiker, die vor ihrem Auslandsdienst extrem links eingestellt waren), mir bestätigt, dass unser Entgegenkommen in diesen Kreisen als Schwäche und Dummheit eingestuft wird, sagt einem ja die Kulturgeschichte, dass in erster Linie das aggressive Volk überlebt und sämtliche kultivierten untergegangen sind. Das mag traurig sein, aber so ist es nun mal. Ich persönlich lebe und arbeite im Türken/Ausländerviertel, fühle mich hier sehr wohl und komme auch gut mit ihnen aus, bin freundlich und kaufe bei ihnen ein, will sie weder weg haben noch sonst was, aber Extremisten auch noch Verständnis oder Toleranz entgegenbringen sicher nicht. Persönlich wäre ich dafür, dass sich alle genetisch vermischen, das wäre gesunder für die Menschenrasse und es wäre mal Ruhe mit dem Religionsscheiss, aber zur Zeit will das keiner.
Ausserdem gibt es auch andere Religionsrichtungen mit denen wir wunderbar im Einklang leben, z. B. Buddhismus. Gerade in Graz gibt es eine große Gemeinde, weshalb der Dalai Lama auch periodisch einen Besuch abstattet.
Warum also die Damen Burkas tragen oder nicht, für oder gegen was das ein Zeichen ist, ist mir wurscht und ich masse mir auch nicht an, dieses zu verstehen oder beurteilen zu können, aber in unsere Kultur passt das nicht und wenn es so wichtig ist, dann muss man eben in ein Land, wo sie hemmungslos herumburken können wie sie wollen.
So, Walter – jetzt kannst auf mich einschlagen
Und dass irgendwelche Ausnahmefrauen sich wohl und frei mit Burka fühlen, glaub ich dir sofort. Es gibt auch Ausnahmefrauen, die sich in der Prostitution wohl fühlen und welche, die sich wohl fühlen, wenn sie jeden Tag eine auf die Nuss bekommen, es gibt welche, die gehen im selbstlosen Dienen und Pflegen auf, auch ohne Psychopharmazeutika… es gibt für überhaupt alles Ausnahmen…
Wenn ich schon dabei bin: das Trachtenwesen wird in Tirol auch äusserst ernst genommen, aber ich habe ja die Wahl, wie ernst ich es nehme, und wenn ich gerade so drauf bin, dann gefällt mir dir Tracht (früher hatte ich grüne haare dazu), und wenn ich gerade anders drauf bin, dann gefällt mir Fetisch, dann wieder ganz unauffällig urban, auch bin ich mit meiner auffälligen Jogurtbecher-Rennrad-Montur im Umlauf (auch nicht jedermanns Geschmack). Und eines ist auch sicher, extreme Kleider erzeugen extreme Reaktionen, denn ich werde mit meiner pompösen tracht in meinen Künstler/Musiker/Intellektuellen-Kreisen ordentlich verlacht. Es gibt überall Kleidungsvorschriften, auch bei den Linken und besonders dort nicht zu kurz.
Walter: Wenn ich mich von jemandem proviziert fühle – und der Anblick verhüllter Frauen wie auch Demonstranten ist nun mal eine Provokation –, sehe ich nichts Arrogantes daran, mir über die Beweggründe und Ziele der «Gegnerin» Gedanken zu machen. Ich find das sogar weniger arrogant, als wenn reflexartig mit archaischen Abwehrmechanismen reagiert wird.
Sehr unangenehm, wenn nicht ebenfalls arrogant finde ich’s, wenn mir hartnäckig Beweggründe unterstellt werden, für die es bei etwas genauerer Lektüre meiner Schreibe überhaupt keine Anhaltspunkte gäbe, und von dennen ich mich auch bereits expizit distanziert habe. Meine Haltung in der Burkafrage ist – und das ist jetzt wirklich das letzte Mal, wo ich mich dazu äussere – nicht von Harmoniebedürfnis bestimmt oder vom Willen, der anderen Seite à tout prix entgegenzukommen. Vielmehr sehe auch ich unsere Werte bedroht, und zwar gleich von verschiedener Seite. Und in dieser Lage finde ich es nicht sinnvoll, kopflos irgendwelchen Parolen hinterherzurennen. Stattdessen fordere ich eine nüchterne Lageanalyse zur Bestimmung der tatsächlichen Gefahren und möglicher Gegenmassnahmen.
Richtig kalt läuft’s mir den Rücken hinab bei deiner Interpretation der Kulturgeschichte, wonach in erster Linie das aggressive Volk überlebt und sämtliche kultivierten untergegangen sind. Da sind wir wohl genau am entscheidenden Punkt. Genau diesen Eindruck habe ich nämlich auch, dass viele Leute ahnen, dass unsere Kultur wahrscheinlich nicht längerfristig überlebensfähig ist und sich deshalb solchen sozialdarwinistischen Versatzstücken und populärwissenschaftlichen Verkürzungen zuwenden. Da müsste man nämlich dann schon erst mal den Darwin richtig verstanden haben und optimalerweise auch noch eine ungefähre Ahnung von Kultur-, Wirtschafts- und Militärgeschichte habe. Würden immer die Aggressiveren obenausschwingen, so hätte Hitler den Krieg gewinnen müssen – oder glaubst du etwa, dass die Deutschen und Österreicher lediglich zu kultivert waren, um den Polen, Tschechen und Juden Paroli zu bieten? Hitler hätte wahrscheinlich die Mittel für einen Sieg in der Hand gehabt, aber er hatte seine eigene Aggressivität zuwenig im Griff und lief ohne Not in einen Zweifrontenkrieg.
Für wirkungsvolle Selbstbehauptung braucht es nicht nur ein gesundes Mass an «Aggressivität», sondern auch die nötige Selbstbeherrschung und strategische Weitsicht, um seine Aggressivität tatsächlich für die Verteidigung der entscheidenden Positionen nutzbar zu machen. Nehmen wir doch meinetwegen mal an, «der Islam» habe es tatsächlich darauf abgesehen, den Westen zu unterjochen. Ich sehe einfach nicht, wie durch eine blosse Veränderung des Strassenbilds die realen Machtverhältnisse zu unseren Ungunsten verschoben werden könnten. Hingegen glaube ich, dass die Glaubwürdigkeit und Legitimität unseres westlich-aufgeklärten Wertekanons tatsächlich eine kritische Grösse im Ringen um die Machtverhältnisse in der globalisierten Weltgemeinschaft darstellt.
Es stellt sich die Frage, wie überzeugt wir eigentlich selber von Werten wie Freiheit und Demokratie sind. Wenn man sich deine obigen kulturhistorischen Ausführungen anschaut, könnte man zum Schluss kommen, nur diktatorisch oder autoritär geführte Völker hätten eine Überlebenschance.
Tatsache ist, dass wir der Auseinandersetzung zwischen Freiheit und Totalitarisums nicht ausweichen können. Wenn wir an die Demokratie glauben, müssen wir zwangsläufig versuchen, auch andere Teile der Welt davon zu überzeugen. Dabei haben wir aber (weitgehend selbstverschuldet) in der vergangenen Dekade empfindliche Rückschläge hinnehmen müssen.
In Burka-, Minarett- und ähnlichen Fragen bin ich für eine harte und kompromisslose Verteidigung des Prinzips der Glaubensfreiheit. Dieses besagt, dass (auch) in Glaubenssachen die Freiheit des Einzelnen nicht unnötigerweise eingeschränkt werden darf, d. h. nur dann, wenn dies unumgänglich ist, um die Freiheit eines Anderen zu schützen. Darum geht es, und um nichts anderes.
Im besonderen Fall der Burka heisst dies: Wer jemand zum Tragen bestimmter Kleider zwingt, verletzt dessen Freiheit. Das erfüllt bereits heute den Straftatbestand der Nötigung. Männer, die ihre Frauen nötigen, würden dies anzunehmenderweise auch nach einem Burkaverbot tun, indem sie ihnen einfach den Ausgang enschränken oder sogar ganz verbieten. Ein Burkaverbot wäre deshalb nicht nur unnötig, sondern auch kontraproduktiv.
«Es ist wohl gerechtfertigt, dass in unseren Land unserer Kultur höher steht als eine andere, dafür werde ich mich sicher nicht rechtfertigen.» Das hat mit Selbstbehauptung im o. g. Sinne überhaupt nichts zu tun und ist einfach nur dumm. Sorry!
Anita: Mit dem Vorwurf der Dummheit kann ich wunderbar leben. Nachdem ich konkret mit allen Kulturen lebe, arbeite und im Dialog stehe (ausser asiatische), weiss ich, wovon ich spreche und erziele meine Meinung nicht von einem erhabenen intellektuellen Plateau, sondern von der Erde. Abgesehen davon, dass wir uns anscheinend nicht gerade begegnen, schätze ich deine Leidenschaftlichkeit bei der Meinungsäußerung sehr. Kann natürlich mit meiner Dummheit zu tun haben.
Walter: Der Vorwurf war nicht persönlich gemeint, und du solltest auch nicht gut damit leben können, denn «you could do better»! Den Gegensatz zwischen intellektuellem Plateau und Erde möchte ich in dieser Form in Frage stellen. Willst du behaupten, deine Menungsbildung beruhe zu 100% auf eigener erdgestützter Erfahrung? Konsumierst du keinerlei Medien? Bist du vollkommen immun gegen den suggestiven Gehalt von Trends und Moden?
Billo: Walter, das wär doch nach Deinem Gusto: Burka nicht verbieten, aber Gesichtszeigegebot?
Walter: Wahrscheinlich kriegen wir eh etwas in diese Richtung, d. h. irgendeine Form von Vermummungsverbot – was ja schon früher zur Debatte stand. Damals wehrte sich die Linke mit Händen und Füssen dagegen.
Mir ist das ja an sich alles egal, wer plausible Gründe vorweisen kann, darf von mir aus alles verbieten. Wenn man z. B. die Burka aus Sicherheitsgründen verbieten wollte – darüber liesse sich sehr wohl diskutieren. Was mir total gegen den Strich geht, ist dieses Jekami, wo jeder und jede noch irgendwas einbringen zu müssen glaubt, um dem galoppierend um sich greifenden Krebsgeschwür des Islams Einhalt zu gebieten.
Jetzt kommen wir der Sache langsam näher. Klar, wenn man sicherheitstechnisch argumentiert, kann man die Burka schon als Problem sehen. Warum also nicht gleich von Anfang an so?
In der Schweiz haben wir insofern noch eine etwas besondere Situation, als ja zuerst diese unsägliche Minarettinitiative war. Da gab es überhaupt keine sachlichen Gründe dafür, man hätte alle allfälligen Probleme mit dem geltenden Baurecht regeln können. Es ging um nichts anderes, als dem Muselmann ein Zeichen zu setzen. Nachdem sie dieses Begehren sogar durchgebracht haben, finde ich es mehr als befremdlich, wenn man wenige Monate später mit der Burka kommt. Das ist Salamitaktik, man fühlt sich verarscht und fragt sich, was wohl als nächstes ansteht – und warum die tatsächlichen Probleme bei der Burka nicht von Anfang an benannt wurden. Dann hätten wir das offenbar nötige «Zeichen» hier setzen können und hätten uns die peinliche Blamage mit dem Minarettverbot ersparen können 🙁
Übrigens, Anita, es ist mir im Moment schon ganz recht, wenn wenn ich nicht mehr Feindschaften pflegen muss als unbedingt nötig – bin gerade in einem anderen Forum noch leichtfertig in einem jahrealten Stellungskrieg voll zwischen die Fronten gelaufen
Anita: Feindschaften zu pflegen finde ich ein interessante Formulierung 😉 Ausserdem, mich als Feind zu haben ist ziemlich fad, da ich kein Gruppenmensch bin, niemand folgt mir, Auseinandersetzungen ohne Entwicklung langweilen mich schnell und in negative Emotionen ohne jeglichen Unterhaltungswert steigere ich mich ungern rein… Nein, ich pflege Feindschaften nicht. Abgesehen davon, dass wir wahrscheinlich, wenn man die Mascherl und Rüscherl weglässt, eh eine ähnliche Meinung vertreten, empfinde ich es als einen grossen Fehler, die europäische Kultur-Islam-Fremden-Angst zu unterschätzen und alle (das ist auch sicher die mehrheit) als Dummis und Ewiggestrige zu betiteln. Denn «die Macht des kleinen Mannes» ist immer schon unterschätzt worden. Vielmehr würde ich es begrüssen, einen dialog zu finden und nicht in intellektueller Arroganz abzuurteilen. Unterm Strich passiert dann auf beiden Seiten dasselbe, die Sprache ist nur eine andere.
Ich beobachte immer, dass die Rechten (meine Herkunft) versuchen, eine welt mit Werten und Überzeugungen zu retten, die überholt ist. sie verharren in der Vergangenheit und haben Angst. Die Linken (meine Wahlheimat) allerdings befinden sich in einer Welt, die noch nicht da ist, in einer Gesellschaft, die wir noch nicht erreicht haben. Sie sehen sich in der Zukunft, die eben auch nicht da ist, und sind frustriert. Für mich liegt die Aufgabe darin, die Gegenwart klar zu erkennen, damit zu arbeiten, auch Fehler zu machen und dieser komplett ausgezuckten internet/PC/IT jugend mehr vertrauen zu schenken… aber ich schweife ab.
Oh, Herr Walter lässt schon wieder die (Schweizer) Schokoladenseite ahnen, dabei hätte sich bei mir gerade der Verdacht erhärtet, dass der Gute ein klein wenig rechthaberisch ist. Womit wir dann, abgesehen vom Geburtstag, noch etwas gemeinsam hätten. Natürlich ist es persönlich wenn Du mich zitierst und damit endest «Das ist dumm, sorry». Ist allerdings kein Problem für mich, da ich auch sehr persönlich bin, ausserdem kein Schweizer, der um Neutralität bemüht ist. Eines gepflegten Proletariats schäme ich mich sicher nicht.
Tatsächlich gehe ich nicht davon aus, dass ich durch Trends, Medien, Berichterstattung sonderlich manipulierbar bin. Abgesehen davon dass es 100% nie geben kann, was ein Zwilling wie Walter eh weiss. Da ich seit 15 Jahren selbstständig berufstätig im Bereich Werbung/Medien bin, mein Broterwerb zum Großteil aus Werbe-Medienpsychologie besteht, Zusatzausbildungen wie auch Interessen sich um Soziologie, Psychologie, Kulturwissenschaften (auch NLP konnte ich mir nicht verkneifen) drehen, ist davon auszugehen, dass ich all diesen Bereichen ein tiefes Misstrauen entgegenbringe und mehr als jeder andere weiß, dass alle Informationen, inkl. Politik von der Industrie gekauft und geformt sind. Womit hauptsächlich die Präsentation gemeint ist, weniger der Inhalt, aber die wird auch eher wahrgenommen. Es wird ja nicht gelogen, sondern nur einiges verschwiegen, anderes geschönt.
Daher mutet meine Art der Präsentation wahrscheinlich etwas populistisch, dies ist eine Berufskrankheit, der ich mich als Werber und PRler kaum entziehen kann, sorry.
Abgesehen vom religiösen/feministischen Hintergrund finde ich Burkas gesetzlich äusserst schwierig zu handhaben. Laut Berichten von meinen Bekannten beim Zoll, Sozialamt, Steuerbehörde sind die Ehefrauen zumeist im Pass des Mannes eingetragen, sobald sie über die Grenze wollen, sind die Zollbeamten überfordert. Nicht an jeder Grenze gibt es weibliche Zollbeamte. Es gibt kein Foto, unter die Burka dürfen sie nicht schauen, die Person unter der Burka ist nicht zu identifizieren. Wenn man sie über die Grenze lässt, können sie wen auch immer raus und rein transportieren. Auch falls man die Ehefrau los werden will, ist es ein Leichtes, da ja niemand weiss, wie sie ausschaut und ob sie noch da ist oder nicht. Die einen Beamten lassen sie ziehen aus Angst vor kulturellen Problemen, die anderen schicken die Leute zurück und werden als «Nazis» beschimpft. Nachdem ich wie gesagt persönlichen Einblick in diese und andere Ämter habe, könnte ich noch viele Beispiele anbringen, ganz konkret aus dem Leben. Auch könnte ich davon berichten, dass viele mir nahe bekannte Muslime ausdrücklich für ein Burkaverbot sind und sowieso eine viel radikalere Einstellung dazu haben als wir «Westler».
Aber egal, prinzipiell ist mir jeder Walter lieber, der ordentlich auf den Putz haut, als jene, die ständig in die Knie gehen und keine Farbe bekennen.
Debatte zum Thema:
▶︎ Über Burka, Beschneidung und die Durchsetzung von Frauenrechten
▶︎ Burka zwischen links und rechts
▶︎ Weitere Beiträge zum Thema unter Suche: Burka
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